Alles begann damit, dass Proteus verloren ging, unsere kleine mobile Zeitmaschine, in die wir jahrelange Forschungsarbeit und eine Menge Geld investiert hatten. Genaugenommen hatten wir sie PROTEVS getauft (portable Raumzeit-Obstruktions-Teilchen emittierende Vergangenheits-Schleuse), aber natürlich spricht sich Proteus viel leichter und erinnert an das süße kleine raumschiffähnliche Vehikel im Filmklassiker »Eine fantastische Reise«. Ja, Proteus sollte fantastische Zeitreisen in die Vergangenheit unternehmen, Cäsar bei seinem berühmten »Veni vidi vici« filmen und solche Sachen ...
Wir hatten nur noch ein winziges Problem zu lösen, nämlich wie die Reise in Gegenrichtung, zurück in die Jetztzeit funktionieren sollte. Und da war es passiert: Mein Partner Oleg O'Boskog hatte versehentlich den Startmechanismus ausgelöst, und schon war Proteus mir nichts, dir nichts verschwunden.
»Weißt du wenigstens noch das Datum, das eingestellt war?«
»Irgendwas im Jahr 1640. Lass mich überlegen. Ja, das Datum von heute, also genau der 19. März 1640.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung.«
Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. Ich öffnete, und ein seltsam gekleideter junger Mann von etwa zwanzig Jahren trat ein. »Guten Tag, mein Name ist Weinsheun. Stanislaus Mink von Weinsheun. Mir scheint, Ihnen ist da etwas abhanden gekommen.«
Oleg und ich schauten uns verblüfft an. »Ja, aber ... haben Sie es denn gefunden?«
»In der Tat blieb mir nichts anderes übrig, hat es sich doch direkt vor meiner Nase materialisiert. Hübsches Ding, dieser Proteus. Aber erlauben Sie mir ein ernstes Wort, meine Herren. Sie gehen für meinen Geschmack ein wenig unbedarft an die Sache heran. Nicht nur, dass Sie keinen Rückwärtsgang für Reisen in die Zukunft einbauen, welchen nachzurüsten mich Monate meines Lebens gekostet hat. Nein, ganz allgemein scheinen Sie sich nicht im Klaren darüber zu sein, was Sie mit derartigen Spielereien in der Zeitkontinuität anrichten können. Ich beabsichtige, fürderhin als Historiograph zu arbeiten, und da käme es mir nicht zupass, wenn so komische Opas wie Sie beide mir im Nachhinein die gesamte Zeitachse durcheinanderwirbeln und meine Arbeit wertlos machen.«
Hier ist nur einer ein komischer Opa, dachte ich, aber ich traute mich nicht, den Mund aufzumachen. Oleg fand schneller zur Sprache zurück: »'Tschuldigung, das war natürlich nicht unsere Absicht. Wir passen jetzt auch besser auf, versprochen. Könnten wir dann Proteus bitte jetzt zurückhaben?«
Der Fremde schüttelte lächelnd den Kopf: »Bedaure, aber Sie werden verstehen, dass ich Proteus benötige, um in mein Jahrhundert zurückzukehren. Ich werde mir die Freiheit nehmen, für meine künftigen historischen Arbeiten hier und da auf die Dienste dieses Wunderapparates zurückzugreifen. Anschließend schwebt mir ein kleines Rätsel oder auch Experiment vor, das Ihnen eine nützliche Lehre sein wird. Ich werde das Gerät an geeignetem Ort verstecken, sozusagen als einen - wie heißt das in Ihrem Jahrhundert?«
»Etwa als einen Cache?«
»Gut, nennen Sie es Cache. In einem Brief werde ich in verschlüsselter Form niederschreiben, wo Ihre kleine Maschine zu finden ist. Sollte nach meinem Tod der Nachlassverwalter den Brief nicht achtlos verbrennen, haben Sie eine realistische Chance, ihn ein paar Jahrhunderte später, also jetzt, in Ihre Hände zu bekommen. Auch das Wissen, wie er zu entschlüsseln ist, werde ich nicht für mich behalten. Lassen Sie sich von Proteus, dem wandelbaren Meeresgott leiten, üben Sie sich hernach in der Kunst aller Künsten, und wenn Sie Ihren Schatz finaliter vor sich haben und doch nicht herankommen, so ist Proteus wiederum das Zauberwort, das den Bann bricht. So werde ich mit dreyfacher Kunstschnur diesen, wie sagten Sie noch?, Cache vor unbefugter Neugier schützen.«
Der Name ... Stanislaus Mink von Weinsheun ... Mir war, als wäre mir der irgendwoher bekannt. »Herr von Weinsheun, sind Sie nicht ...?«
Zu spät! Der geheimnisvolle Fremde hatte sich genauso in Luft aufgelöst wie wenige Minuten zuvor Proteus, die unselige Zeitmaschine, benannt nach einem Science-Fiction-Klassiker, wie wir dachten, oder vielleicht doch nach einer antiken Gottheit, wie uns gerade erklärt wurde?
Oleg O'Boskog stürzte sich an den Computer, und bevor ich länger darüber nachdenken konnte, in welchem Zusammenhang ich den Namen Stanislaus Mink von Weinsheun schon einmal gehört hatte, hatte er in einer Antiquitätenbörse schon etwas gefunden, was er für den angekündigten Brief hielt:
»Hier, Opa, schau mal: Brief aus dem Nachlass von J. J. Winkelmann, datiert auf den 19. März 1640. Das ist unser Datum!«
»Aber es ist nicht unser Mann, Oleg. Der eben hieß doch Weinsheun, nicht Winkelmann!«
»Sollte man meinen. Aber Winkelmann war Geschichtsschreiber, also Historiograph, wollte das unser Besucher nicht später einmal werden? Und schau mal hier, das ist ein Stich von Winkelmann. Von der Perücke abgesehen, kommt dir das Gesicht nicht bekannt vor?«
Alle Wetter! Weinsheun war offensichtlich nur ein Pseudonym gewesen. Dieser Mann, der also in Wirklichkeit Winkelmann hieß, hatte es uns wohl richtig schwer machen wollen. Wir legten zusammen und kauften den antiquarischen Brief. Wie groß war die Spannung, als dieser nach ein paar Tagen mit der Post eintraf! Noch größer allerdings war der Schock, als wir ihn zu lesen begannen ...
Das erste Wort lautet »Proteus«, es handelt sich also zweifelsohne um den angekündigten Brief. Aber wie ist der Rest zu deuten? Ist das Latein? Nie unsere Stärke gewesen.
Liebe Geocacher! Wir verzweifeln und kommen einfach nicht weiter. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als euch, die Rätselerprobten, die Mysterygestählten, um Unterstützung zu bitten. Wer immer uns helfen kann, Proteus, die kleine Zeitmaschine wiederzufinden, darf auch eine Spritztour damit unternehmen (aber bitte nichts kaputtmachen im historischen Gefüge!).