Versteckt in den Sandbergen der Mürschnitzer Flur, war das „Sonneberger Zahnradwerk“ als Rüstungsbetrieb von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt. Es wurden Zahnräder für Flugzeug-Getriebe der Deutschen Luftwaffe, für V-Waffen, sowie Kettenräder für Panzer hergestellt. Das Einzugsgebiet der dort ungefähr 1.600 Beschäftigten ging weit über den Landkreis Sonneberg hinaus. Es wurde im Schichtbetrieb gearbeitet, rund um die Uhr lief die Produktion, rund um die Uhr bestanden Busverbindungen in alle Teile des Landkreises. Das Werk war eines der größten und modernsten der deutschen Metallindustrie im Dienste der Rüstungsproduktion im Dritten Reich.
Das etwa ein bis zwei Quadratkilometer große, fast exakt an der Nord-Süd-Achse ausgerichtete Werk bestand aus zwei markanten über 100 Meter langen Fabrikhallen-Komplexen, der Härterei, einem Lagergebäude, Reparaturwerkstätten, einem Verwaltungsgebäude, dem Gefolgschaftshaus, Flaks und weiteren, kleineren Baracken. Von der vorbeiführenden Straße waren diese Anlagen nicht einzusehen und unterstanden einer strengen militärischen Bewachung. Moderne Straßen, Außenbeleuchtung, ein eigenes Wasserwerk, ein Außenheizhaus, eine eigene Kanalisation und sogar einen Freizeitbereich konnte das Betriebsgelände aufweisen und auch Heizungs-, Transformatoren-, Kompressoren-, Entstaubungsanlagen und unterirdische Versorgungsschächte gehörten zur Ausstattung.
Im Keller befand sich ein eigenes unterirdisches Kraftwerk zur Stromerzeugung, denn das Werk benötigte seinerzeit mehr Energie als der ganze Landkreis Sonneberg. Bei Fliegeralarm konnten alle Fenster, Türen und sonstige Öffnungen auf Knopfdruck automatisch verdunkelt werden. Alle Abteilungen des Werkes waren unterhalb der Hallen in ganzer Länge durch einen begehbaren Gang verbunden und auch von dort zu erreichen. In den meist weiß gefliesten Räumen in Hartklinkerbauweise musste teilweise stets die gleiche Temperatur von 20 °C herrschen, um ein präzises Messen zu ermöglichen, denn von den Metallbearbeitungsmaschinen wurden Genauigkeiten von bis zu 1 µm gefordert.
Auch ein Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald mit rund 450, vorwiegend jüdischen Häftlingen war seit September 1944 unter miserablen und menschenunwürdigen Bedingungen im südlichen Bereich des Areals isoliert untergebracht. Die Folge waren Krankheiten und Entkräftung. Für die Beschäftigten des Werkes bestand Schweigepflicht über die Existenz des Lagers. Kontaktaufnahme deutscher Arbeiter mit den Häftlingen war streng verboten und stand unter Strafe. Anfang April 1945 begannen die Evakuierungsmärsche der Häftlinge - einer über den Rennsteig auf tschechisches Gebiet bis kurz vor Prag, der zweite wahrscheinlich über Friedrichsthal nach Bad Elster. Heute erinnern mehrere Gedenksteine - darunter einer ganz in der Nähe - auch an diese „Todesmärsche“.
Zum Kriegsende bewerkstelligten Teile der Belegschaft eine fast unbeschädigte Übergabe des Werkes an die anrückenden amerikanischen Truppen, wodurch größere Plünderungen vermieden wurden. Während der amerikanischen Besetzung wurden die Maschinen und sonstigen Anlagen überholt, so dass das Werk für die russische Militärfertigung zunächst sofort wieder in Betrieb genommen werden konnte als die Rote Armee im Juli 1945 einmarschierte. Doch schon im März 1946 begannen auf russischen Befehl hin die Demontagearbeiten der Maschinen und Anlagen. Als diese beendet waren, wurden die Gebäude des Zahnradwerkes gesprengt und die Reste dem Erdboden gleich gemacht. Heute erinnern deshalb nur noch einige Fundamente, halbverschüttete Grundmauern und gefährliche Löcher und Gräben an das einst so moderne Zahnradwerk.
Direkt im Sperrgebiet des ehemaligen Todesstreifens der innerdeutschen Grenze gelegen, geriet das Werk in den Nachkriegsjahren mehr und mehr in Vergessenheit. Doch auch viele Mythen, Legenden und Fragen ranken sich darum:
- So verweigern angeblich selbst heute noch - mehr als 60 Jahre nach Kriegsende - Behörden und Archive die Herausgabe von Akten und Dokumenten zum Zahnradwerk mit der Begründung, dass es sich um eine „geheime Reichssache“ handeln würde.
- Gerüchten zufolge soll das Werk mehrere Etagen tief in den Untergrund gegangen sein und laut Aussage älterer Einwohner würden sich in den zugesprengten unterirdischen Hallen sogar noch mehrere Maschinen befinden.
- Zwei bislang unbekannte Wissenschaftler sollen in einem Reinraumlabor auf dem Gelände an einem geheimen Rüstungsprogramm gearbeitet und geforscht haben, welches angeblich aber nicht in direkter Verbindung mit den Erzeugnissen aus dem Werk gestanden haben soll.
- Ganz gewagte Überlegungen ziehen aufgrund des immensen Strombedarfs des Werkes sogar eine hochtechnologische Energiegewinnung mittels sog. „Skalarwellen“ im Keller des Werkes in Betracht. So sollen der Theorie nach gerade dann die besten Ergebnisse erreicht werden, wenn ein Skalarwellenkollektor unter einer nach Nord-Süd ausgerichteten Pyramide platziert wird, und Kristalle oder verschiedene Sandarten als nichtlineares elektrisches Medium Verwendung finden. Sollten das die Gründe gewesen sein, warum die Anlage quasi pyramidenförmig auf Sandgruben und in symmetrischer Nord-Süd-Ausrichtung gebaut worden ist?
- Und warum taucht eine der größten und modernsten Anlagen der damaligen Zeit so gut wie gar nicht in Literatur, Geschichte oder Listen zur Rüstungsproduktion auf? Vieles erscheint merkwürdig...
Quelle: u.a. www.balsi.de