St. Remigius-Kirche / Mengede
Kleine Historie
Die Geschichte einer Orgel ist zwangsläufig verbunden mit der
Geschichte der Kirche, für die sie gebaut und intoniert
wurde.
Die kath. St. Remigius-Kirche in Mengede wurde 1876 nach
einjähriger Bauzeit eingesegnet.
Ihr heutiges Aussehen erhielt sie allerdings erst im Jahr 1900 mit
dem Anbau des großen Glockenturmes.
In den Jahren davor feierte die Gemeinde ihre Gottesdienste in
einer kleinen, 1676 erbauten, Fachwerkkirche an der heutigen
Freihofstraße. Von dieser Kirche ist überliefert, dass sie unter
Pfarrer Anton Fabri (1766-1804) einen Zwiebelturm und eine „neue
Orgel“ erhielt.
Von 1810 an finden sich im Kirchenarchiv diverse Vermerke über
Reparaturkosten und Instandsetzungsarbeiten an dieser Orgel, die
oft in einem unbrauchbaren Zustand gewesen sein muss.
So ist vom 20.08.1818 ein Vertrag mit dem "Orgelbauer Mellmann aus
Dortmund" überliefert, mit der Auflage "so billig wie nur immer
möglich, die Orgel in einen solchen Stand zu setzen, dass solche
für die Zukunft von Dauer sein soll."
Zu diesen Arbeiten muss es 1819/20 gekommen sein. Die Rechnung von
Mellmann über das "angefertigte neue Orgelwerk", über 160 RM und 28
Stüber ist datiert mit 10.Febr.1823.
Aus dem gleichen Jahr stammt ein Brief mit der Bitte um einen
Zuschuss für diese Reparatur. Darin heißt es: "Die Orgel unserer
Kirche wurde vor ca. 30 Jahren gebaut."
So ist anzunehmen, dass die Orgel der alten Kirche um das Jahr 1790
entstanden ist.
Im Jahre 1876 bekommen die Orgelbauer August & Rudolph
Randebrock aus Paderborn den Auftrag für einen Orgelneubau, bei dem
ein Großteil des Pfeifenmaterials der alten Orgel übernommen wurde.
Die Orgel wird im Mai 1877 aufgestellt und geprüft. Trotz einiger
Kritik an der Intonation "gereicht die Ausführung des neuen
Orgelwerkes im Großen und Ganzen genommen dem Orgelbauer Randebrock
zu Ehre."
In einem Spendenaufruf des Orgelbauvereins aus dem Jahr 1949 heißt
es über diese Orgel:
„ Vor über 150 Jahren beschafft ... erhielt sie, ein wenig
vergrößert, ihren neuen Platz in der 1875 erbauten neuen Kirche am
Siegenweg, zog bei der Vergrößerung 1900 in den Turm und erwies
sich in dem größeren Raum sofort als viel zu klein. Und wenn sie
nicht aus bestem Material wäre, hätte sie schon vor langen
Jahrzehnten auf dem Schrotthaufen gelegen.“
Im August 1926 legt die Firma Fleiter aus Münster ein Angebot
für einen Orgelneubau vor, zu dem es jedoch nicht gekommen ist. Es
wird lediglich ein elektrisches Gebläse in die Randebrock-Orgel
eingebaut.
Im 2.Weltkrieg wurde der Kirchturm beschädigt und die Orgel war
in den Folgejahren durch Witterungseinflüsse kaum noch
bespielbar.
Im Zuge einer Kirchenrenovierung im Jahr 1950 entschließt sich
die Gemeinde für einen Orgelneubau. Es ist erstaunlich, dass dies
so kurz nach den Wirren des zweiten Weltkrieges überhaupt möglich
war.
Den Auftrag erhielt die Firma „Orgelbau Gebrüder Stockmann" aus
Werl.
Am 24. Februar 1952 konnte dann die Orgel mit 31 Registern
eingeweiht werden.
Es ist der Weitsicht der für diesen Neubau Verantwortlichen zu
verdanken, dass bereits bei der Planung eine Erweiterung auf 41
Register berücksichtigt wurde.
In einem erhaltenen Programmheft dieser Einweihungsfeier ist auf
einem Foto noch der ursprüngliche Orgelprospekt (= sichtbare
Pfeifen der Orgel) zu erkennen.
Das Pfeifenwerk war offen sichtbar im Turm um eine farbige
Fensterrose gruppiert und bot dem Betrachter im Kirchenraum einen
besonders harmonischen Anblick.
Diese offene Bauweise hatte allerdings Vor- und Nachteile.
Akustisch gesehen bildete der zum Kirchenschiff hin offene Turmraum
einen idealen Resonanzkörper um den Klang ins Kircheninnere zu
übertragen. Durch die Fensterrose und die einfache Holzabdeckung
der Deckendurchbrüche im Turm (für den Glockentransport) war die
Orgel jedoch ungeschützt Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen
ausgesetzt, die ihr auf Dauer zu schaffen machten.
So war bereits 1961 eine erste Überholung der Orgel notwendig.
Um weitere Schäden zu verhindern, entschloss man sich bei der
großen Kirchenrenovierung 1971 die Fensterrose zu vermauern und den
Orgelprospekt neu zu gestalten.
Im Zuge dieser Umbauten wurde nun auch die schon 1952
eingeplante Erweiterung der Orgel bei der Firma Stockmann in
Auftrag gegeben.
Dem 3. Manual des Spieltisches (dieser wurde von rechts in die
optische Mittelachse der Orgel verlegt) wurde ein Rückpositiv mit 8
Registern zugeordnet, welches in die Brüstung der Orgelempore
eingelassen wurde.
Damit verfügte das Werk über 39 Register und ermöglichte fortan die
getreue Wiedergabe fast aller Stilrichtungen der Orgelmusik. Auch
der Gemeindegesang war durch das in den Kirchenraum ragende
Rückpositiv erheblich besser zu begleiten.
Zum 100-jährigen Bestehen des Kirchenchores "Cäcilia St.
Remigius", im Jahr 1981, machten die zahlreichen anstehenden
Konzerte eine erneute Überholung der Orgel notwendig.
Da das immer noch offen stehende Haupt- und Pedalwerk der Orgel
regelmäßig von Staubablagerungen gereinigt werden musste,
entschloss man sich das gesamte, im Turm befindliche Pfeifenwerk,
mit einem Gehäuse zu versehen.
Dies brachte natürlich eine erhebliche Klangveränderung mit sich,
schützte die Orgel aber nun endlich vor weiterer Zerstörung und
wechselnden Klimabedingungen.
Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich im Inneren der Orgel noch
Reste einer Hebelvorrichtung zur mechanischen Betätigung des
Windbalgs. Ein Hinweis darauf, dass 1952 Teile der
Vorgängerorgel(n) mitbenutzt wurden.
Bei der letzten, großangelegten Kirchenrenovierung im Jahr
1994/95 wurde die Orgel komplett zerlegt, das Pfeifenwerk ins
Gemeindehaus ausgelagert und grundlegend überholt. Hierbei stellte
sich heraus, dass die kleineren Pfeifen (bis zu 1m) einiger
Register aufgrund des Materials (Blei) und der Verarbeitung aus
älteren Orgeln stammen müssen.
Auf Anregung des damaligen Organisten Franz Kokotz und des
Kirchenchores hin, sowie dank großzügiger Spenden aus der Gemeinde,
wurde 1995 ein zusätzliches Register (Violon 16 Fuß) in das
Pedalwerk eingebaut. Dadurch wurde das Klangvolumen, welches durch
den Gehäusebau etwas gelitten hatte, erheblich verbessert.
Ebenso bekam das „Schwellwerk“ den schon in der Planung 1952
vorgesehenen „Tremulanten“ (= gibt dem Orgelton ein leichtes
Vibrato) eingesetzt.
Die Orgel verfügt nun über 40 Register (39 klingende Register,
da im Pedalwerk der Echobaß 16’ als abgeschwächter Subbaß 16’
ausgeführt ist), verteilt auf drei Manuale (Hauptwerk, Schwellwerk,
Rückpositiv) und Pedal.
Spiel- und Registertraktur sind elektropneumatisch.
Bei der letzten Renovierung hatten interessierte
Gemeindemitglieder die Möglichkeit, einmal hinter die Kulissen
einer Orgel zu schauen.
Erstaunt darüber, dass eine Orgel nicht nur aus den sichtbaren
Pfeifen im Prospekt besteht, wurde vielen Besuchern zum erstenmal
bewusst, wie komplex und entsprechend empfindlich eine Orgel
aufgebaut ist.
Mit seinen 40 Registern besitzt die Orgel 3048 Pfeifen. Die größte,
mit einer Höhe von 4,56 m und einem Gewicht von ca. 30 kg, hat
genau wie die kleinste Pfeife mit ca. 1 cm und wenigen Gramm, ihren
festgelegten Platz auf den Windladen im Innern der Orgel. Wer
einmal einen Blick hinter das Gehäuse wirft, verliert bei all den
Luftschläuchen, Hebeln, Elektromagneten und Verbindungsleitungen
schnell die Orientierung.
Als Krönung der komplexen Technik ist aber der imposante
Spieltisch anzusehen.
Mit seinen 198 Tasten, 152 Registerzügen, zahlreichen Schaltern für
Koppel und Spielhilfen sowie Register- und Lautschweller, ist es
dem Organisten erst möglich, Ordnung in das scheinbare Chaos zu
bringen.
Die bei heutigen Orgelneubauten übliche, platzsparende Elektronik
war im Jahr 1952 noch unbekannt. So ist auch das Innere des
Spieltisches übersät mit Relais, Schleifkontakten und elektrischen
Leitungen.
Diese fast unüberschaubare Technik ermöglicht es dem Organisten bei
einem einzigen Schlussakkord wahlweise nur 5 oder bis zu 336
Pfeifen gleichzeitig erklingen zu lassen.
Durch Register- und Lautschweller ist es möglich ein
kontinuierliches Crescendo, beginnend mit dem zarten Klang der
Weidenpfeife 8’ (dem leisesten Register der Orgel, dass bei
geschlossenem Schwellwerk nur noch auf der Orgelbühne zu hören ist)
bis zum gewaltigen Brausen des Orgelplenums, aufzubauen.
Würde die Orgel in ihrer jetzigen Form und Größe neu gebaut
werden, so müsste die Gemeinde über 300 000 € (!!!) aufbringen.
Wie in der Vergangenheit, so ist es auch in Zukunft erforderlich
dieses wertvolle Instrument zu pflegen. Eine gründliche
Restaurierung war und ist ca. alle 10 Jahre erforderlich um den
Klang dieses schönen Instruments zu erhalten.
Ein Wartungsvertrag mit der zuständigen Orgelbauwerkstatt würde
größere Schäden verhindern.
Freuen wir uns dieses große Orgelwerk geerbt zu haben, aber sorgen
wir auch für dessen Erhalt.