Es war einmal ein Schneiderlein,
das saß in einer Stadt, die hieß Romadia; das hatte auf eine Zeit,
da es arbeitete, einen Apfel neben sich liegen, darauf setzten sich
viele Fliegen, wie das Sommerszeiten so gewöhnlich, die angelockt
waren von dem süßen Geruch des Apfels. Darob erzürnte sich das
Schneiderlein, nahm einen Tuchlappen, den es eben wollte in die
Hölle fallen lassen, schlug auf den Apfel, und befand im Hinsehn,
dass damit sieben Fliegen erschlagen waren. "Ei", dachte bei sich
das Schneiderlein, "bist du solch ein Held?!" Ließ sich stracklich
einen blanken Harnisch machen, und auf das Brustschild mit goldnen
Buchstaben schreiben: Sieben auf einen Streich. Darauf zog das
Schneiderlein mit seinem Harnisch angetan umher auf Gassen und
Straßen, und die es sahen, vermeinten, der Held habe sieben Männer
auf einen Streich gefällt, und fürchteten sich.
Nun war in demselben Lande ein
König, dessen Lob weit und breit erschallte, zu dem begab sich der
faule Schneider, der gleich nach seiner Heldentat Nadel, Schere und
Bügeleisen an den Nagel gehangen, trat in den Hof des
Königspalastes, legte sich alldort in das Gras und entschlief. Die
Hofdiener, so aus- und eingingen, den Schneider in dem reichen
Harnisch sahen, und die Goldschrift lasen, verwunderten sich sehr,
was doch jetzt, zu Friedenszeiten, dieser streitbare Mann an des
Königs Hof tun wolle? Er deuchte sie ohne Zweifel ein großer Herr
zu sein.
Des Königs Räte, so den
schlafenden Schneider gleichfalls gesehen, taten solches Sr.
Majestät, ihrem allergnädigsten König, zu wissen, mit dem
untertänigsten Bemerken, dass, so sich kriegerischer Zwiespalt
erhebe, dieser Held ein sehr nützlicher Mann werden und dem Lande
gute Dienste leisten könne. Dem König gefiel diese Rede wohl,
sandte alsbald nach dem geharnischten Schneider, und ließ ihn
fragen, ob er Dienste begehre? Der Schneider antwortete,
ebendeshalb sei er hergekommen, und bäte die Königliche Majestät,
wo höchstdieselbe ihn zu brauchen gedächte, ihm allergnädigst
Dienste zu verleihen. Der König sagte dem Schneiderlein Dienste zu,
verordnete ihm ein stattliches Losament und Zimmer, und gab ihm
eine gute Besoldung, von der es, ohne etwas zu tun, herrlich und in
Freuden leben konnte.
Da währte es nicht lange Zeit, so
wurden die Ritter des Königs, die nur eine karge Löhnung hatten,
dem guten Schneider gram, und hätten gern gewollt, dass er beim
Teufel wäre, fürchteten zumal, wenn sie mit ihm uneins würden,
möchten sie ihm nicht sattsam Widerstand leisten, da er ihrer
sieben allwege auf einen Streich totschlagen würde, sonsten hätten
sie ihn gern ausgebissen, und so sannen sie täglich und stündlich
darauf, wie sie doch von dem freislichen Kriegsmann kommen möchten.
Da aber ihr Witz und Scharfsinn etwas kurz zugeschnitten war, wie
ihre Röcklein, so fanden sie keine List, den Helden vom Hofe zu
entfernen, und zuletzt wurden sie Rates miteinander, alle zugleich
vor den König zu treten, und um Urlaub und Entlassung zu bitten,
und das taten sie auch.
Als der gute König sah, dass alle
seine treuen Diener um eines einzigen Mannes willen ihn verlassen
wollten, ward er traurig, wie nie zuvor, und wünschte, dass er den
Helden doch nie möge gesehen haben; scheute sich aber doch, ihn
hinwegzuschicken, weil er fürchten musste, dass er samt all seinem
Volk von ihm möchte erschlagen, und hernach sein Königreich von dem
stracklichen Krieger möchte besessen werden. Da nun der König in
dieser schweren Sache Rat suchte, was doch zu tun sein möge, um
alles gütlich abzutun und zum Besten zu lenken, so ersann er
letztlich eine List, mit welcher er vermeinte, des Kriegsmannes
(den niemand für einen Schneider schätzte) ledig zu werden und
abzukommen. Er sandte sogleich nach dem Helden und sprach zu ihm,
wie er (der König) wohl vernommen, dass ein gewaltigerer und
stärkerer Kampfheld auf Erden nimmer zu finden sei, denn er (der
Schneider). Nun hausten im nahen Walde zwei Riesen, die täten ihm
aus der Maßen großen Schaden mit Rauben, Morden, Sengen und Brennen
im Lande umher, und man könne ihnen weder mit Waffen noch sonst wie
beikommen, denn sie erschlügen alles, und so er sich's nun
unterfangen wolle, die Riesen umzubringen, und brächte sie wirklich
um, so solle er des Königs Tochter zur ehelichen Gemahlin, und das
halbe Königreich zur Aussteuer erhalten, auch wolle der König ihm
hundert Reiter zur Hülfe gegen die Riesen
mitgeben.
Auf diese Rede des Königs ward dem
Schneiderlein ganz wohl zu Mute und deuchte ihm schön, dass es
sollte eines Königs Tochtermann werden und ein halbes Königreich
zur Aussteuer empfangen; sprach daher kecklich: er wolle gern dem
König, seinem allergnädigsten Herrn, zu Diensten stehen, und die
Riesen umbringen, und sie wohl ohne Hülfe der hundert Reiter zu
töten wissen. Darauf verfügte er sich in den Wald, hieß die hundert
Reiter, die ihm auf des Königs Befehl dennoch folgen mussten, vor
dem Walde warten, trat in das Dickicht, und lugte umher, ob er die
Riesen irgendwo sehen möchte. Und endlich nach langem Suchen fand
er sie beide unter einem Baume schlafend, und also schnarchend,
dass die Äste an den Bäumen, wie vom Sturmwind gebogen, hin- und
herrauschten.
Der Schneider besann sich nicht
lange, las schnell seinen Busen voll Steine, stieg auf den Baum,
darunter die Riesen lagen, und begann den einen mit einem derben
Steine auf die Brust zu werfen, davon der Riese alsbald erwachte,
über seinen Mitgesellen zornig ward und fragte, warum er ihn
schlüge? Der andere Riese entschuldigte sich bestens, so gut er's
vermochte, dass er mit Wissen nicht geschlagen, es müsse denn im
Schlafe geschehen sein; da sie nun wieder entschliefen, fasste der
Schneider wieder einen Stein, und warf den andern Riesen, der nun
auffahrend über seinen Kameraden sich erzürnte und fragte, warum er
ihn werfe? der aber nun auch nichts davon wissen wollte. Als beiden
Riesen nun die Augen nach einigem Zanken vom Schlafe wieder
zugegangen waren, warf der Schneider abermals gar heftig auf den
andern, dass er es nun nicht länger ertragen mochte, und auf seinen
Gesellen, von dem er sich geschlagen vermeinte, heftig losschlug;
das wollte denn der andere Riese auch nicht leiden, sprangen beide
auf, rissen Bäume aus der Erde, ließen aber doch zu allem Glück den
Baum stehen, darauf der Schneider saß, und schlugen mit den Bäumen
so heftig aufeinander los, bis sie einander gegenseitig
totschlugen.
Als der Schneider von seinem Baume
sah, dass die beiden Riesen einander tot geschlagen hatten, ward
ihm besser zu Mute, als ihm jemals gewesen, stieg fröhlich vom
Baume, hieb mit seinem Schwerte jeglichem Riesen eine Wunde oder
etliche, und ging aus dem Walde hervor zu den Reitern. Die fragten
ihn, ob er die Riesen entdeckt oder ob er sie nirgends gesehen
habe? "Ja", sagte der Schneider, "entdeckt und gesehen und alle
zwei tot geschlagen - habe ich, und sie liegen lassen unter einem
Baume." Das war den Reitern verwunderlich zu hören, konnten und
wollten es nicht glauben, dass der eine Mann so unverletzt von den
Riesen sollte gekommen sein, und sie noch dazu tot geschlagen
haben, ritten nun selbst in den Wald, dies Wunder zu beschauen und
fanden es also, wie der Schneiderheld gesagt hatte. Darob
verwunderten sich die Reiter gar sehr, und empfanden einen
grauslichen Schrecken, ward ihnen auch noch übler zu Mute, denn
vorher, da sie fürchteten, der Sieger werde sie alle umbringen,
wenn er ihnen Feind würde; ritten heim und sagten dem König an, was
geschehen.
Da nun der Schneider zum Könige
kam, seine Tat selbst anzeigte, und die Königstochter samt dem
halben Königreich begehrte, gereute den König sein Versprechen, das
er dem unbekannten Kriegsmann gegeben, gar übel, denn die Riesen
waren nun erwürgt, und konnten keinen Schaden mehr tun; dachte
darüber nach, wie er des Helden mit Fug abkommen möchte, und war
nicht im mindesten gesonnen, ihm die Tochter zu geben. Sprach daher
zum Schneider, wie er in einem andern Walde leider noch ein Einhorn
habe, das ihm sehr großen Schaden tue an Fischen und Leuten;
dasselbe solle er doch auch noch fangen, und so er dieses
vollbringe, wolle der König ihm die Tochter geben. Der gute
Schneider war auch das zufrieden, nahm einen Strick, ging hin zu
jenem Walde, allwo das wilde Einhorn hauste, und befahl seinen
Zugeordneten, draußen vor dem Walde zu warten, er wolle allein
hineingehen und allein die Tat bestehen, wie er die gegen die zwei
Riesen auch allein und ohne andere Hülfe bestanden. Als der
Schneider eine Weile im Walde umher spaziert war, ersieht er das
Einhorn, das gegen ihn daher rennt mit vorgestrecktem Horn und will
ihn umbringen. Er aber war nicht unbehende, wartete, bis das
Einhorn gar nahe an ihn herankam, und als es nahe bei ihm war,
schlüpfte er rasch hinter den Baum, neben dem er zu allernächst
stand, und da lief das Einhorn, das im vollen Rennen war und sich
nicht mehr wenden konnte, mit aller Hast gegen den Baum, dass es
ihn mit seinem spitzen Horn fast durch und durch stieß, und das
Horn unverwandt darin stecken blieb. Da trat der Schneider, als er
das Einhorn am Baume fest zappeln sah, hervor, schlang ihm den
mitgenommenen Strick um den Hals, band es an den Baum vollends
fest, ging heraus zu seinen Jagdgesellen, und zeigte ihnen seinen
Sieg über das wilde Einhorn an. Darauf ging das Schneiderlein zum
König, tät demütiglich Meldung von der glücklichen Erfüllung des
königlichen Wunsches, und erinnerte bescheidentlich an das
königliche zweimalige Versprechen. Darob ward der König über die
Maßen traurig, wusste nicht was zu tun sei, da der Schneider der
Tochter begehrte, die er doch nicht haben sollte. Und begehrte noch
eins an den Kriegsmann. Dieser solle nämlich auch das grausame
Wildschwein, das in einem dritten Walde liefe und alles verwüste,
einfangen, und so er auch dieses vollbringe, dann wolle der König
ihm die Tochter ohne allen Verzug geben, wolle ihm auch seine ganze
Jägerei zur Hülfe beiordnen.
Der Schneider zog, nicht
sonderlich erbaut von des Königs abermaligem Begehren, mit seinen
Gesellen zum Walde hinaus, und befahl ihnen, als der Forst erreicht
war, draußen zu bleiben. Des waren die Jäger gar herzlich froh und
zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon öfter dermaßen
empfangen, dass ihrer viele das Wiederkommen auf immer vergessen
hatten, und sie alle nicht mehr begehrten, ihm nachzustellen,
dankten daher dem Schneider sehr aufrichtig, dass er sich allein in
die Fahrnis wage und sie in Numero Sicher dahinten lasse. Der
Schneider war noch nicht lange in den Wald getreten, so wurde das
Wildschwein seiner ansichtig, und stürzte auf ihn zu mit
schäumendem Rachen und wetzenden Hauern und wollte ihn gleich zu
Boden rennen, so dass sein Herz erzitterte und er sich schnell nach
Rettung umsah. Da stand zum Glück eine alte verfallene Kapelle in
dem Walde, darin man vor Zeiten Ablass geholt, und da der Schneider
nahe dabei stand, und die Kapelle ersah, sprang er mit einem Satz
hinein, aber auch der Türe gegenüber mit einem Luftsprung durch ein
Fenster, darin keine Scheiben mehr waren, wieder heraus, und
alsbald folgte ihm die Wildsau, die nun in der Kapelle rumorte, der
Schneider aber lief flugs um das Häuslein herum, wischte vor an die
Türe, warf sie eilends zu, und versperrte so das grausame Gewild in
das Kirchlein, ging dann hin zu den Jagdgesellen, zeigte ihnen
seine Tat an, die kamen hin, befanden die Sache also wahr und
richtig, und ritten heim mit großer Verwunderung, dem König Bericht
erstattend. Ob nun die Nachricht vom abermaligen glückhaften Sieg
des heldenhaften Kriegsmannes den König mehr froh oder mehr traurig
gemacht, das mag ein jeglicher, selbst mit geringem Verstand,
leichtlich ermessen, denn der König musste nun dem Schneider die
Tochter geben, oder fürchten, dass dieser seine Heldenkraft, davon
er drei so erstaunliche Proben gegeben, gegen ihn selber wenden
dürfte. Doch ist wohl zweifelsohne, hätte der König vollends
gewusst, dass der Held ein Schneider wäre, so hätte er ihm lieber
einen Strick zum Aufhenken, denn seine Tochter geschenkt. Ob nun
aber der König einem Manne ohne Herkunft und ohne Geburt, außer der
von seiner Mutter, seine Tochter mit kleiner oder mit großer
Bekümmernis, gern oder ungern gebe, danach fragte Schneiderlein gar
wenig oder gar nicht, genug er war stolz und froh, des Königs
Tochtermann geworden zu sein. Also wurde die Hochzeit nicht mit
allzu großer Freudigkeit von königlicher Seite begangen, und aus
einem Schneider war ein Königseidam geworden, ja ein
König.
Als eine kleine Zeit vergangen
war, hörte die junge Königin, wie ihr Herr und Gemahl im Schlafe
redete, und vernahm deutlich die Worte: "Knecht, mache mir das Wams
- flicke mir die Hosen - spute dich - oder ich - schlage dir das
Ellenmaß über die Ohren!" Das kam der jungen Königsgemahlin sehr
verwunderlich vor, merkte schier, dass ihr Gemahl ein Schneider
sei, zeigte das ihrem Herrn und Vater an, und bat ihn, er möge ihr
doch von diesem Manne helfen. Solche Rede durchschnitt des Königs
Herz, dass er habe seine einzige Tochter einem Schneider antrauen
müssen, tröstete sie auf das beste, und sagte, sie solle nur in der
künftigen Nacht die Schlafkammer öffnen, so sollten vor der Türe
etliche Diener stehen, und wenn sie wieder solche Worte vernähmen,
sollten diese Diener hinein gehen und den Mann geradezu umbringen.
Das ließ sich die junge Frau gefallen und verhieß also zu tun. Nun
hatte der König aber einen Waffenträger am Hofe, der war dem
Schneider hold, und hatte des Königs untreue Rede gehört, verfügte
sich daher eilend zu dem jungen König und eröffnete ihm das schwere
Urteil, das über ihn so eben jetzt ergangen und gefällt war, und
bat ihn, er möge seines Leibes sich nach besten Kräften wehren. Dem
sagte der Schneider-König ob seines Warnens großen Dank, und er
wisse wohl, was in dieser Sache zu tun sei. Wie nun die Nacht
gekommen war, begab sich zu gewohnter Zeit der junge König mit
seiner Gemahlin zur Ruhe und tat bald, als ob er schliefe. Da stand
die Frau heimlich auf und öffnete die Tür, worauf sie sich wieder
ganz still niederlegte. Nach einer Weile begann der junge König wie
im Schlafe zu reden, aber mit heller Stimme, dass die draußen vor
der Kammer es wohl hören konnten: "Knecht, mache mir die Hosen -
bletze mir - das Wams, oder ich will dir das Ellenmaß über die
Ohren schlagen. Ich - hab sieben auf einen Streich - tot geschlagen
- zwei Riesen hab ich - tot geschlagen - das Einhorn hab ich
gefangen - die Wildsau hab ich auch gefangen - sollt ich die
fürchten - die draußen vor der Kammer stehen?"
Als die vor der Kammer solche
Worte vernahmen, so flohen sie nicht anders, als jagten sie tausend
Teufel, und keiner wollte der sein, der sich an den Schneider
wagte. Und so war und blieb das tapfere Schneiderlein ein König all
sein Lebetag und bis an sein
Ende.