Der Spießturm, auch Spieskappeler Warte genannt oder kurz Spieß,
ist ein mittelalterlicher Wartturm, der in Nordhessen nahe dem
Frielendorfer Ortsteils Spieskappel steht. Er wurde im 15.
Jahrhundert unter dem hessischen Landgraf Ludwig I. erbaut und
diente als Grenzturm und als Versammlungsort für Landtage und
Gerichte. Der Turm ist heute bloß noch als Ruine erhalten.
Der Spießturm liegt an der Nordseite des sogenannten Kornberges
südlich des Frielendorfer Ortsteils Spieskappel an der K157
zwischen Spieskappel und Obergrenzebach. Der Name „Spieß“
bezeichnete früher einige zusammenhängende Anhöhen namens Loh,
Kornberg und Kämpferholz zwischen Spieskappel, Gebersdorf,
Leimsfeld, Schönborn, Obergrenzebach, Großropperhausen und
Ebersdorf. Der Rundturm ist etwa 17 Meter hoch und hat einen
Durchmesser von fast fünf Metern. Die Mauerstärke beträgt über
einen Meter. Der Zugang liegt fünf Meter über dem Boden, um
möglichen Feinden das Eindringen zu erschweren. Zudem gab es
wahrscheinlich einen Wehrgang, worauf ausgesparte Löcher für die
notwendige Balkenlage hindeuten.
Geschichte
Der Spießturm ist Teil des Frielendorfer Wappens.Die Anhöhe
„Spieß“ galt bereits zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert als Grenze
im fränkischen Reich und trennte den Oberlahngau vom Hessengau. Bis
ins 15. Jahrhundert grenzte die Landgrafschaft Hessen hier an die
Grafschaft Ziegenhain. 1430 ließ der hessische Landgraf Ludwig I.
den Spießturm als Wartturm errichten, um die Grenze zu sichern.
Zusätzlich gab es entlang der Grenze Landwehre, Verhaue,
Grenzzeichen und weitere Befestigungsanlagen. An Grenzübergängen
waren Verschläge aufgebaut, die ein Schlagmann bewachte. Einen
solchen Schlag gab es auch nahe dem Spießturm; der Schlagmann lebte
im Turm und trieb Zölle für das Amt Homberg ein. Als 1450 Graf
Johann II. von Ziegenhain starb, hinterließ er keinen Erben, so
dass die Grafschaft Ziegenhain der Landgrafschaft Hessen zufiel und
die Grenzanlage am Spieß überflüssig wurde.
Im 15. und 16. Jahrhundert war der Spieß Versammlungsort einiger
Landtage. Er wurde als Austragungsort gewählt, weil am Spießturm
verschiedene bedeutende Straßen, wie die langen Hessen
entlangliefen. Die ersten Ständeversammlungen dieser Art, von denen
Überlieferungen existieren, fanden 1456 und 1457 statt. 1470 wurde
auf einem Landtag am Spießturm der Hessische Bruderkrieg zwischen
Ludwig II. und Heinrich III. beigelegt. 1509 fand ein Landtag
statt, auf dem die Stände das Testament des verstorbenen Landgrafen
Wilhelm II. und insbesondere die Regentschaft seiner Witwe
anfochten. Landgraf Philipp berief 1534 und 1542 zwei Landtage am
Spieß ein. Der letzte Landtag am Spieß fand 1567 statt: Philipps
Sohn Wilhelm IV. und dessen Stiefbrüder verlasen die „Ziegenhainer
Einigung“, die die Teilung der Landgrafschaft regelte.
Der Spieß war neben seiner Funktion als Austragungsort
hessischer Landtage auch Standort eines von sechs dem Amt Homberg
zugeordneten Gerichten. Dem Gericht am Spieß gehörten die Dörfer
Frielendorf, Todenhausen, Obergrenzebach, Seigertshausen,
Leimsfeld, Ebersdorf, Oberkappel, Gebersdorf und Linsingen an. Ein
Gericht war zur damaligen Zeit als Gerichts- und Verwaltungsbezirk
zu verstehen, dem ein Schultheiß vorstand. Diese Gerichte waren zu
Diensten und Abgaben verpflichtet und hatten die Befugnis, Recht zu
sprechen, wovon die „Blutgerichtsbarkeit“ ausgeschlossen war. 1542
wurde das Gericht am Spieß, das manchmal auch als Gericht
Frielendorf bezeichnet wurde, dem Amt Ziegenhain zugeordnet.
Dadurch war es möglich, die Orte zu Diensten beim Ausbau der
Ziegenhainer Festung heranzuziehen.
Nach der Gebietsreform in Hessen in den 1970er Jahren wollten
Gemeindevorstand und Gemeindevertretung der Großgemeinde
Frielendorf 1975 ein neues Wappen geben. Nach drei Jahren, in denen
es mehrfach zu Auseinandersetzungen mit dem Staatsarchiv Marburg
kam, weil die Entwürfe gegen heraldische Grundsätze wie Farbregeln
verstießen, wurde schließlich im Februar 1978 das heutige Wappen
vorgestellt. Im Zentrum des Gemeindewappens ist der Spießturm
dargestellt.
Heute dient der Spießturm als Ausflugsziel und die
Außenbesichtigung ist jederzeit möglich. Begehbar ist der Turm
hingegen nicht.
Sagen und Legenden
Zum Spießturm und der Anhöhe, auf der er liegt, gibt es einige oft
erzählte Sagen Eine von ihnen handelt von einem Leichenzug, der am
Spießturm vorbeizieht.
„Oft hatten die Zigeuner im Mittelalter ihr Lager auf den
Spießhöhen aufgeschlagen. Genau auf der Grenze zwischen der
Grafschaft Ziegenhain und der Landgrafschaft Hessen, denn dort
fühlten sie sich sicher. Wurden sie von der Grafschaft Ziegenhain
verfolgt, wechselten sie zur Landgrafschaft Hessen, oder umgekehrt.
Eines Nachts klopfte es unter ihrem Lager. Beim dritten Klopfen
gegen Mitternacht zog ein Leichenzug, der aus der Erde kam, an
ihnen vorbei in Richtung Hermannsdorf. Seit dieser Zeit wurden die
Zigeuner am Spieß nicht mehr gesehen.“
In weiteren Erzählungen werden einige Details abgewandelt. So
werden die Teilnehmer des Leichenzuges als kopflose Reiter
beschrieben oder das Ereignis vom Mittelalter in die Zeit des
Ersten Weltkrieges oder das Jahr 1930 verlegt. Eine weitere Sage
handelt von einem Schatz, der sich in einem Geheimgang befindet.
Dieser Geheimgang soll das Kloster Spieskappel mit dem Spießturm
verbunden haben.
„Der letzte Abt des Klosters, Johannes Werner, soll nach
handschriftlichen Angaben noch 1582 gelebt haben und auf dem weiten
Klosterfriedhof, der nordöstlich an der Kirche lag, begraben sein.
Die Sage erzählt, dass der Abt Werner die zwölf silbernen Apostel
aus der Klosterkirche aus dem zwölften Jahrhundert in
unterirdischen Gängen, die nach dem Spieß und zum Wichtelloch bei
Obergrenzebach führen sollen, vergraben hat. Keiner hat bisher den
Versuch unternommen, nach den kostbaren Schätzen zu graben.“
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