Ich wusste von Anfang an: Dieser Fall würde Ärger bedeuten. Nicht
die Form von Ärger, die in einer Faust oder einer geworfenen
Whiskeyflasche steckt. Damit kann ich umgehen. Nein, schlimmer:
Dieser Fall bedeutet eine Überanstrengung der kleinen grauen
Zellen.
Zurück zu dem Tag, als alles begann. Es war ein verregneter
Nachmittag, als er mein Büro betrat. Es regnet oft in diesem Loch.
Öfter als in Neapel. Viel öfter. Doch dies war nicht das Thema,
über das er sprechen wollte.
"Mein lieber Philip. Schön Sie einmal wieder zu sehen! Nett
haben Sie es hier. Immer noch der alte Schwerenöter, eh? Doch bevor
ich lange um den heißen Brei herumrede, lassen Sie uns gleich zur
Sache kommen, ja?"
Er hörte sich gerne reden. Ich hasste seine Wortwahl, seine Stil
und seine Visage. Aber er gehörte zu der Spezies "Zahlend" der
Gattung Kunden. Aussterbene Art. Weiter.
"Uns ist im Projekt einer der Wissenschaftler, nun ja,
entlaufen. Sie wissen ja , wie die Herren im weißen Kittel so sind.
Unberechenbar, introvertiert..."
Er sagte nie, welches "Projekt" das war. Er fuhr fort:
"Eigentlich auch egal, niemand ist unersetzlich, wirklich, wir
sind ein freies Land, jeder soll nach seiner Facon glücklich
werden, aber wir wollen seine Forschungsergebnisse! Wir haben diese
finanziert, uns gehören sie! Ausschließlich uns! Sie dürfen nicht
in die Hände feindlicher Regierungen fallen, oder, noch
unausdenkbar schlimmer, in die unserer Mitbewerber!"
Seine Stimme bebte. Er meinte das ernst. Ich schwieg. Zahlender
Kunde.
"Wir haben folgendes:" Er schob einen Zettel herüber.
n=192285535549 s0=64
856251 2552990 1272970 262162
1853559 1966623 2421525 3553615
921409 2050539 665541 1180501
217346 2246544 2883361 3001164
"Hat er auf der Rückseite eine Serviette unserer eigenen Kantine
notiert! Neben Flecken von Sauce Bearnaise. Wir wissen nicht, was
die Zahlen bedeuten soll. Gab es letzten Donnerstag zu Filet Mignon
mit grünen Bohnen. Schmeckte widerlich. Jedenfalls haben wir diesen
Zettel, und das hier:"
Er fischt einen sorgfältig in Klarsichtsfolie verpackten
weiteren Bogen Papier aus seiner vor Neuheit glänzenden, piekfeinen
500-Euro-Aktenmappe. Oder eher die Reste eines solchen, denn
überall daran befanden sich Brandspuren. Was übrig war , zeigte
handschriftliche Texte und ein paar Zeichnungen. Ich fragte nicht,
woh er er das Dokument hatte.
"Ich weiss ja gar nicht, ob ich ihnen dies überlassen darf. Top
Secret. Allerhöchste Geheimhaltungsstufe. Aber ich vertraue Ihnen,
ja ich vertraue Ihnen, Ihnen ganz persönlich. Und wie sollen Sie
mir meine Ergebnisse sonst wiederbeschaffen ? Hahaha!"
Zahlender Kunde oder nicht. Er tanzte am Abgrund.
"Vieleicht interessiert es Sie noch, woran er geforscht hat? Ja,
dachte ich mir . Kommen Sie darauf? Nein? Ich sage es Ihnen:
Zufallsgeneratoren! Sie blicken erstaunt? Lassen Sie es mich
erklären: Computer sind streng deterministisch. Machen den gleichen
Job jedesmal auf die gleiche Weise. Ganz schön langweilig, nicht?
Aber das ist nicht immer gewünscht. Sie kennen doch Pacman? Dachte
ich mir. Manchmal biegt das rote Monster nach links ab, manchmal
nach rechts. Sozusagen zufällig. Oder Spielautomaten: Wo bleibt das
Rad stehen? Verliert der Spieler, oder gewinnt die Bank? Ganz, ganz
wichtiges Gebiet, finanzstark, das sage ich Ihnen!"
Geld. Das erklärte sein Interesse. Nicht aber seine
Arroganz.
"Ein anderes Beispiel gefällig? Verschlüsselung. Hierbei braucht
man oft zufällig ausgewählte Primzahlen... Sie können mir noch
folgen? Ja? Egal, jedenfalls gibt es in Computern kaum wirklich
zufällige Ereignisse, die als Quelle für echte Zufallszahlen dienen
können. Statt dessen bedient man sich sogenannter
Pseudo-Zufallszahlen-Generatoren. Ein Startwert, eine Formel, die
aus dem Startwert eine neue Zahl berrechnet, dann wieder aus der
neuen Zahl anstelle des Startwerts eine weitere Zahl, und so
weiter. Und bei gut gewählter Formel und Startwert kommt eine ganz
lange Folge zufällig wirkender Zahlen heraus.... Und unser
entfleuchter Wissenschaftler forschte am perfekten
Pseudo-Zufallszahlengenerator, der das Prädikat pseudo schon gar
nicht mehr verdient! Können Sie sich dessen monetären Wert auch nur
im entferntesten vorstellen? Unser geschätzter und gesuchter Freund
wohl sicher nicht... Sie kennen das Clichée vom verrückten
Wissenschaftler? Ja, auf ihn trifft es zu! Sieht das Ganze nur als
Spielerei, als philosphischen Selbstzweck... faselte von jeder
beliebigen Wahrheit, die im Zufall steckte, wenn man nur wisse, wo
man suchen müsse... irgendwie komplett durchgeknallt, der Typ. Was
das mit den Zahlen auf der Serviette zu tun hat? Man, wenn ich das
wüsste, bräuchte ich doch Sie nicht! Genau das sollen Sie doch für
mich rausfinden! So, und nun will ich gar nicht anfangen, Ihnen
Ihre Zeit zu stehlen. Fangen Sie an und finden Sie mir meine
Forschungsergebnisse!"
Das war vor zwei Wochen. Ich bin keinen Deut weiter. Und damit
immer noch beim billigen Whiskey. Kumpel, ich brauche Deine
Unterstützung. Was sagen Dir die beiden Papiere?
Erstinhalt: * perfekte Zufallsgeneratoren * 4
LED-Schlüsselnhänger * 2 UV-LED-Schlüsselanhänger * Travelbug