Die Geschichte von Sandleiten
Die ehemaligen Sandgruben im 16.
Wiener Gemeindebezirk, auf denen die Gebäude des Sandleitenhofs
errichtet wurden, kaufte die Gemeinde Wien schon in den Jahren 1915
und 1916 an.
Das Gelände ist stark ansteigend und daher war ein
geeigneter Verbauungsplan schwierig zu erstellen. Die Gemeinde
schrieb daher 1923 einen Wettbewerb aus, nach dem drei
Architektengemeinschaften mit dem Bau beauftragt wurden. Das
Stadtbauamt behielt aber die Oberbauleitung.
Der Sandleitenhof wurde von 1924 bis 1928 in fünf
Etappen errichtet. Für die Bauteile I - IV südlich der
Rosenackerstraße zeichnete die Arbeitsgemeinschaft Emil Hoppe/Otto
Schönthal/Franz Matuschek verantwortlich, für den nördlichen Teil V
die Teams Franz von Krauß/Josef Tölk (die Architekten des bekannten
Wiener Bürgertheaters) und Siegfried Theiß/Hans Jaksch. Obwohl
mehrere der Architekten Schüler von Otto
Wagner waren, wählten sie nicht eine für ihn typische, streng
geometrische Form der Anlage, sondern verfolgten eine, an Camillo Sitte angelehnte, Konzeption mit
kleinen Plätzen, kurvenreichen Wohnstraßen, vielen Grünflächen und
verschieden hohen Gebäuden.
Das
Zentrum der Anlage bildet der, nach dem ermordeten italienischen
Sozialisten Giacomo Matteotti benannte, Matteottiplatz
mit einer Terrasse und einem Steinbrunnen. Hier fanden auch
Theatervorführungen statt. Die anderen kleinen Plätze haben
dreieckige oder andere polygonale Formen, die Häuser selbst sind
teilweise mit Arkaden, Laubengängen, Erkern und vielen
Dekorelementen versehen. Außerdem enthält die Anlage mehrere
soziale Einrichtungen wie eine Wäscherei und eine städtische
Bücherei. Neben den Wohnungen enthielt die Anlage ursprünglich auch
noch 75 Geschäftslokale, 58 Werkstätten, 71 Lagerräume, drei
Ateliers, drei Kinderhorte sowie ein Postamt. Heute befindet sich
auch das Elektropathologische Museum hier.
Montessori-Kindergarten
1927 bis 1929 entstand nach den
Plänen des Leiters des Stadtbauamtes, Erich Franz Leischner der
Montessori-Kindergarten, der einen
Stützpunkt der Anlage bildet. Die Säule Frohsinn stammt von
Wilhelm Fraß. Das war das hundertste Kindertagesheim der Stadt
Wien.
Im Foyer des Gebäudes stehen die
Worte von Julius Tandler, der der Chef des
Wohlfahrtsamtes war: „Dem Kinde Schönheit und Freude.
Unauslöschbar haften Kindheitserlebnisse“. In diesem
Sinne wurde dieser Kindergarten auch künstlerisch ausgestattet
(Wandbilder) und galt somit als ein Vorzeigeprojekt der damaligen
Zeit. Die Anlage bekam einen großen, in mehrere Teil gegliederten
Freibereich mit Plantschbecken und Sandkisten sowie eine
Freiluftterrasse. Das Gebäude wurde 1995 generalsaniert.
Der Sandleitenhof
im österreichischen Ständestaat
Um die Mittagszeit des 12. Februar
1934 versuchte die Polizei in Sandleiten einzudringen, wurde
jedoch
mit Schüssen zurückgewiesen. Die Regierung mobilisierte daraufhin
Verstärkung in Form einer Polizeialarmkompanie mit fünf
Maschinengewehren sowie Bundesheereinheiten mit 200 Soldaten, vier
Kanonen, zehn Maschinengewehren und zwei Minenwerfern.
Von der Hernalser Hauptstraße aus
wurde der Angriff im Raum Güpferlingstraße / Kainzgasse
vorbereitet, die Kanonen wurden im Kongresspark in Schussstellung
gebracht.
Da es inzwischen dunkel geworden war, musste der Sturmangriff auf
die Morgenstunden verschoben werden, allerdings wurde die Anlage
auch in der Nacht mehrmals mit Maschinengewehren beschossen. Da
Polizei und Bundesheer an Zahl und Bewaffnung weit überlegen waren,
erschien es den Verteidigern verantwortungslos, einen aussichtlosen
Häuserkampf zu riskieren – in einer Wohnanlage, in der sich
etwa 5.000 Frauen, Kinder
und alte Leute befanden. Als die Staatsmacht in den Morgenstunden
des 13. Februar in die Anlage eindrang,
waren die Verteidiger bereits abgezogen und es gab keinen weiteren
Widerstand mehr.
Nach der Errichtung des austrofaschistischen Ständestaates
versuchte die Kirche, bei den Arbeitern Fuß zu fassen und ließ
1935/1936 vom jungen Behrens-Schüler
Josef Vytiska die Pfarrkirche St. Josef errichten. Die zumeist der
Kirche eher distanziert gegenüberstehenden Arbeiter betrachteten
dies allerdings als Provokation und gaben der Kirche den Spitznamen
Vater-Unser-Garage. Die Kirche selbst ist ein Sichtbetonbau mit einem Vordach auf
Säulen.
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