Schiele und Rattenberg
Die Einwohnerzahl Rattenbergs entlockt Großstädtern vermutlich ein Schmunzeln, denn sie ist mit ihren rund 420 Bewohnern und 11ha Gemeindegebiet die kleinste Stadt Österreichs. Aber auf dem Rundgang durch die historischen Gassen bemerkt man schnell, dass die Stadt nicht groß sein muss, um Großartiges anzubieten. Hinter den mittelalterlichen Fassaden hält das Städtchen einige Geheimnisse bereit. So ist auch wenig bekannt, dass Egon Schiele - einer der bedeutendsten österreichischen Expressionisten - der Stadt ein gezeichnetes Denkmal setzte. Schieles Bild zeigt die Dachlandschaft Rattenbergs aus einer besonderen Perspektive, die er vom Schlossberg aus erhielt. „Lange hat man die Darstellung mit der Stadt Krumau verwechselt“, erzählt Günther Moschig, der Kurator der Stadtgalerie Wörgl. „Aber es sind eindeutig die Dächer Rattenbergs.“ Erstaunlich ist, dass sich die Ansicht 100 Jahre später kaum verändert hat. „Nahezu jedes noch so kleine Detail, die Giebel, Kamine und auch die Fassaden scheinen unverändert. Die Zeit scheint hier stehen geblieben zu sein“, erzählt Moschig. Eher zufällig wurde man auf die Zeichnung aufmerksam. Ein Rattenberger brachte den Kunstkenner Moschig auf die Idee, dem Schielewerk nachzuforschen. Die Recherchen ergaben, dass das Bild 1917, ein Jahr vor Egon Schieles Tod, entstand. Schiele war nach Tirol gereist, um im Auftrag der k.u.k. Armee die Lebensmittellager des Militärs zu zeichnen. In Tirol waren diese in Brixlegg, Bozen und Bruneck. Die Zeichnungen waren als Tätigkeitsbericht für eine geplante Festschrift der Armee gedacht, die aber nie erschienen ist. Geblieben ist die Zeichnung von Rattenberg.