Als Kind hatte ich im zarten Alter von fünf Jahren Urlaub in den
Bergen gemacht. Von diesem Tage an war ich infiziert von einem
Virus: dem Echo. Auf einem Berg zu stehen und quer durchs Tal zu
rufen, immer auf die Antwort hoffend – es faszinierte mich und ließ
mich nicht mehr los.
Als Jugendlicher, als Erwachsener, immer war es das gleiche, ich
suchte den Widerhall. Das führte zu absurden Situationen:
Neulich war ich mit meiner Frau zum Shoppen. Mitten im
Textilgeschäft Zero überkam es mich: Nackte Wände, eiskalte
Fußböden, gab es hier vielleicht ein Echo? Ich brüllte aus vollem
Halse – plötzlich war alles still, kein Geräusch, niente, nada,
zero nichts außer eisiger Kälte und alle starrten mich an. Kein
Echo! Na Bravo! Nicht einmal meine Frau sagte etwas ... jedenfalls
nicht viel. Tags darauf zog ich ins Hotel.
Auch im Hotel ging ich natürlich auf die Suche nach neuen großen
Räumen. Unterbewußt – ich konnte nichts dafür. Die geräumige
Hotelhalle erschien mir ideal für einen Test. Das war noch besser
als bei Zero, der Raum war hoch, lang und breit. Ich wollte gerade
Luft holen, da packte mich der Portier am Kragen und setzte mich an
die Luft.
Ich hatte verstanden. Meine Leidenschaft stieß nunmal nicht
überall auf Gegenliebe. Ich setzte mich in meinen alten Golf und
fuhr weg, fort vom Hotel. Mein Hobby war eben etwas anderes als
Foxtrott tanzen.
Ich fuhr dem Sonnenuntergang entgegen, als ich instinktiv unter
einer Brücke stoppte. Ich blickte mich um, kein Mensch war weit und
breit. Hier konnte ich meiner Passion frönen. Ich brüllte und
schrie – und die Brücke antwortete mir.
Lange Zeit später fuhr ich nach Hause zu meiner Frau. Ich hatte
Glück, denn als sie sah, daß ich mich offensichtlich abreagiert
hatte, ließ sie mich wieder ins Haus und wir begruben das
Kriegsbeil. Tja, fast wie die India-ner.
Meine Brücke besuche ich seitdem regelmäßig ...