Die Brücken von Madison County
Die Brücken von Madison County" ist einer meiner Lieblingsfilme. Nicht nur wegen Meryl Streep, sondern auch wegen diesen wunderschönen, überdachten Holzbrücken, die man bei uns fast nie zu sehen bekommt.
Just so eine Brücke führt ab jetzt im Freizeitgebiet von Kottingbrunn über den Wiener Neustädter Kanal. Ein hölzernes Architekturjuwel für Fußgänger und Radfahrer. Und das Schönste an der Sache: Die Brücke wurde von Schülern der Camillo Sitte Lehranstalt, einer Bau-HTL im dritten Wiener Gemeindebezirk, gebaut.
Wie es dazu kam? Nun, wie eben alle außergewöhnlichen, über einen trockenen Unterricht hinausgehenden Dinge in einer Schule entstehen: durch zwei engagierte Lehrer
„Ich habe einen Freund, der in der Verkehrsplanung für Niederösterreich arbeitet. Er hat mich gefragt, ob wir im Rahmen des Unterrichtes für die Gemeinde Kottingbrunn eine Brücke bauen könnten.
Ich habe mich mit meinem Kollegen beraten; und wir haben uns das sehr genau überlegt. Wir können Aufträge, die von öffentlichen Institutionen, Vereinen und dergleichen kommen, durchführen. Allerdings übernehmen wir nur Projekte, von denen unsere Schüler profitieren."
„Wir lassen unsere Schüler nicht als Hilfsarbeiter missbrauchen!"
„Natürlich hätten auch die Schüler die Brücken-Pläne erstellen können. Aber dazu war die Zeit zu knapp. Der Auftrag kam erst vor drei Monaten."
„Also haben wir die Pläne gemacht. Die Vorgabe lautete: eine einfache Holzbrücke.
Wir haben unseren Entwurf vorgelegt und die Verantwortlichen meinten: Also, wir haben uns da schon etwas Aufwendigeres vorgestellt."
Und so entstand sie, die wunderschöne Brücke im Madison-County-Stil, aus verleimten Lärchenholz, mit geschwungener Konstruktion, das Dach aus handgespaltenen Holzschindeln. Drei Monate lang haben 40 Schüler im Alter von 14 bis 19 Jahren daran gearbeitet. Und mit welchem Feuereifer!
Martin: Echt toll! Eine Arbeit, die einen Sinn hat!
Dominik: Das war nicht nur Theorie, das war wirklich Praxis. Unsere Brücke bricht nie zusammen.
Monika: Super war das, von Anfang an dabei zu sein.
Roman: Wie ich meinen Eltern gesagt hab, dass wir eine Brücke bauen, eine, die wirklich benützt werden wird, haben sie es mir nicht geglaubt. Eigentlich glauben sie es bis heute noch nicht." (Romans Eltern werden Augen machen, wenn sie diesen Bericht hier lesen!)
Christopher: Die Brücke, das kann man wirklich sagen, die ist von uns! Von uns allein! Da werde ich noch mit meinen Enkelkindern drüber gehen:
Dominik: Das hat so Spaß gemacht, dass wir oft in der Pause weitergehackelt haben.
Martin: Wir waren ein echt gutes Team. Wir können alles bauen, wenn man uns nur lässt.
Und unisono alle gemeinsam: Dafür bekommen wir alle einen Einser!
Eine solche Begeisterung bei Schülern habe ich selten erlebt. Hier durften sie etwas machen, das wirklich Sinn hat. Eine Brücke, die jahrzehntelang benützt werden wird, die sie noch stolz ihren Kindern und Enkelkindern zeigen können.
Auf die Qualität der Ausbildung an der Camillo Sitte Lehranstalt darf der Direktor, mit Recht stolz sein: 1000 Schüler besuchen „seine" HTL. 14 Prozent davon sind Mädchen. Damit liegt diese Schule bei der technischen Ausbildung im Frauen-Spitzenfeld „Die Brücke wurde von Schülern verschiedener Jahrgänge gebaut, acht Mädchen waren dabei. Die Arbeiten waren den Schulstufen angepasst. Jeder einzelne Schüler hat dabei etwas gelernt.
Hannes: Die Arbeit war auch deshalb so schön, weil eine Brücke nicht irgendein Bauwerk ist. Eine Brücke ist etwas Symbolisches. Sie verbindet Orte und Menschen. Eine Brücke ist immer etwas Positives."
Bei solch begeisterungsfähigen jugendlichen Brückenbauern braucht uns um Österreichs architektonische Zukunft nicht bange sein!
13.07.2003 / Krone bunt