Es war im Winter 1984. Mit dem Weckruf ihrer Mutter und dem ersten Blick aus dem Fenster leuchteten Tamaras Augen hell auf! Endlich - der erste Schnee! Und sooo hoch! Was für ein Glück, dass heute ein schulfreier Samstag war. Mit einem Satz war sie aus den Federn gesprungen und begann augenblicklich, ihren Kleiderschrank nach dem Schneeanzug zu durchwühlen, "Irgendwo hier musste er doch sein!" schnaufte sie. Nachdem alle anderen Kleidungsstücke mittlerweile im gesamten Zimmer verteilt waren fand sie ihn, ganz hinten, in der letzten Ecke, zusammen mit Mütze, Schal und Handschuhen. Ob der überhaupt noch passte? Darauf konnte Tamara jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie schlüpfte in Windes Eile in den hellgelben Anzug (ein bisschen eng war er ja schon), schnappte sich die Handschuhe und sprang in ihre Stiefel. Mit lautem Gestampfe hastete sie zur Haustür, hinaus zur Garage und schnappte sich ihren verstaubten Schlitten.
Endlich, endlich wieder rodeln auf dem
TODESHüGEL
Auch wenn es noch früh am Morgen war: Tamara war nicht das einzige Kind, das an diesem Tag so blitzeschnell gewesen war. Von allen Seiten kamen ihre Freundinnen und Klassenkameraden mit ihren Schlitten und Skiern herbei gerannt. Laut jubelnd und johlend beeilten sie sich, um möglichst schnell auf der Hügelspitze anzukommen! Nur Daniela und Michi standen noch vor ihr, dann war endlich Tamara an der Reihe! Sie setzte sich auf den Schlitten, umfasste das fordere Ende mit festem Griff, drückte die Stiefel in den Schnee, holte zum Schwung holen kräftig nach hinten aus und ...
KKKKKRRRRRRRCHHHHHCCCHCHCHCHCHHH
Noch im selben Augenblick, als die rasante Abfahrt begann, riss der leuchtend gelbe Schneeanzug am allerwertesten entzwei und Tamara schrie!
Ob wegen des Schneeanzugs oder des Flugs über die Sprungschanze mitten auf dem Todeshügel, weiß ich nicht mehr.
Dreißig Jahre später. Tamara geht jetzt an einer anderen Stelle im Winter mit ihren Kindern zum Rodeln.