Die erste Kulturhauptstadt Europas im ländlichen alpinen Raum bringt Bewohner*innen aus 23 Gemeinden und zwei Bundesländern zusammen, die gemeinsam ein Jahr lang miteinander leben, erleben und arbeiten werden. Der Weg dorthin war nicht immer einfach. Es gab Streitigkeiten und Missverständnisse. Doch solche Ereignisse zeigen, dass die „Architekt*innen“ dieser Kulturhauptstadt einige Gräben und tektonische Bruchstellen offengelegt haben. Dies ist der Tradition von Kulturhauptstädten inhärent, denn anders als bei der Produktion anderer Kulturgüter können und sollen die unvermeidlichen Geburtswehen des kreativen Prozesses nicht hinter den Kulissen versteckt werden. Die „Architekt*innen“ mussten also auf offener Bühne agieren. Und wie der bisherige Diskurs gezeigt hat, lohnt sich dieses Ringen. Die Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 wird eine Vielzahl an Möglichkeiten bieten, um die gut gepflegten Eigenarten, Traditionen und Sichtweisen der Region mit anderen zu teilen, zu hinterfragen und hoffentlich auch zu erweitern. Das Ziel ist dabei nicht, diese vielen Eigensinne abzuschaffen, sondern sie zu einem größeren, dem Gemeinschaftssinn, zu vereinen. Genau das haben die 23 Gemeinden des Salzkammerguts vorgelebt und ein Miteinander geschaffen, welches das Gemeinsame über das Trennende stellt und bei dem die eigene Weltsicht als bereichernder Mosaikstein für das große gemeinsame Bild verstanden wird. Die zahlreichen Veranstaltungen und Projekte sollen dabei helfen, eine offene und inklusive Atmosphäre zu schaffen, in der sich jede*r willkommen fühlt und eigene Perspektiven einbringen kann. Es geht dabei nicht nur um Unterhaltung und Vergnügen, sondern auch darum, kritische Diskussionen anzustoßen und einen Raum für Reflexion und Austausch zu schaffen. Die Kulturhauptstadt Region Europas wird somit nicht zum Ort des Eskapismus, sondern zum Ort der Begegnung und des Dialogs, an dem die Bewohner*innen ihre Zukunft innerhalb Europas und der Welt gemeinsam gestalten können. In einer Zeit, in der sich Isolationismus verstärkt und Klüfte vertiefen, können Kunst und Kultur die einzigen Instrumente sein, die diese Fliehkräfte bändigen und helfen, aufgerissene Gräben wieder zu überbrücken. Wir sind uns sicher, dass das Salzkammergut ein Vorbild für ein vereintes Europa werden kann, das sich neu positionieren muss, um den Herausforderungen von morgen Stand zu halten. Eine Modellregion, die unter Beweis stellt, dass kulturelle Unterschiede eine Bereicherung für das Zusammenleben sind. Die Kulturhauptstadt wird dazu beitragen, Toleranz sowie die Bereitschaft, sich auf die Sichtweise anderer einzulassen, als die einzig tragfähige Grundlage für eine offene zivile und demokratische Gesellschaft zu verdeutlichen.
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