
Gehörlosenschule Erfurt: Von den Anfängen bis heute
Am Silvesterabend 1820 beschlossen die Freimaurer der Loge "Karl zu den drei Adlern", ein Taubstummeninstitut zu gründen, um das Bestehen der Loge durch ein bleibendes Denkmal zu verkünden. Dies war ein zutiefst humanistisches Anliegen, denn in Preußen gab es damals rund 7000 taube Menschen ohne jegliche Schulausbildung.
Am 2. Januar 1822 wurde das Institut mit drei Schülern im Königlichen Preußischen Lehrerseminar des Neuwerkklosters durch den Direktor, Regierungs- und Schulrat Hahn, eröffnet. 1823 betreute das Institut bereits 17 Schüler, die bei Handwerkerfamilien in Kost und Logis waren.
1842 zog das Institut in ein Haus in der Hirschlache 42 um, und 1865 in das Surbersche Haus in der Löberstraße. Am 8. Mai 1877 bezog die Schule das Haus Predigerstraße 8 und später Nr. 9, wo sie bis 1925 untergebracht war. Das preußische Schulpflichtgesetz von 1910 brachte ein erhebliches Anwachsen der Schülerzahl. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1925 ein neues Schulgebäude am südlichen Stadtrand bezogen.
Der Zweite Weltkrieg führte zur Schließung der Schule und Umgestaltung in ein Lazarett. Nach dem Krieg begann der Pädagoge Ernst Krafft 1949 erneut mit dem Unterricht. Die Schule zog wieder in die Gebäude der Windthorststraße ein.
1953 wurde ein zusätzliches Gebäude für die Schule genutzt, und 1954 wurde ein Vorschulteil eröffnet. 1968 begann der Bau eines neuen Schultraktes, der 1970 bezogen wurde. 1972 fand die 150-Jahr-Feier der Einrichtung statt.
Heute betreut die Schule Kinder von früh an, dank einer Beratungsstelle, die Familien unterstützt. 1990 wurde ein modernes Kindergartengebäude am Südpark zur Verfügung gestellt. 1992 feierte die Stadt Erfurt ihr 1250-jähriges Bestehen, und die Gehörlosenschule ihr 170-jähriges Jubiläum.
Historische Persönlichkeiten:
- Regierungs- und Schulrat Hahn war der erste Direktor des 1822 gegründeten Instituts.
- Otto Schlechtweg, Direktor von 1914 bis 1938, trug maßgeblich zum Aufbau des modernen Bildungszentrums bei.
- Ernst Krafft leitete den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
Zurzeit feiert die Gehörlosenschule Erfurt ihr 200-jähriges Bestehen. Die Schule hat sich über die Jahre hinweg stark verändert und modernisiert, um den Bedürfnissen der Schüler gerecht zu werden.
Heute werden an der Schule weiterhin gehörlose und schwerhörige Schüler unterrichtet, jedoch ist die Schülerzahl im Vergleich zu früheren Jahren geringer. Ein Großteil der Schüler sind CI-Träger oder tragen Hörgeräte, die sowohl die Lautsprache als auch die Gebärdensprache erlernen. In den Pausen und im Schulalltag herrscht eine vielfältige Kommunikation, wobei die Gebärdensprache nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, jedoch nicht mehr so dominant ist wie früher.
Die Schule bietet eine inklusive und unterstützende Umgebung, in der sowohl die Gebärdensprache als auch die Lautsprache gefördert werden. Moderne Lehrmethoden und Technologien tragen dazu bei, dass alle Schüler bestmöglich gefördert werden können.
Mit Stolz wird auf die lange Geschichte und die kontinuierliche Entwicklung der Gehörlosenschule Erfurt zurückgeblickt, und es besteht große Freude auf viele weitere Jahre erfolgreichen Lehrens und Lernens.
Wichtiger Hinweis:
Bitte verwenden Sie nicht den Begriff "taubstumm". Dieser Begriff ist veraltet und wird von vielen Gehörlosen als beleidigend empfunden. "Stumm" impliziert Sprachlosigkeit und Dummheit, was nicht zutrifft. Gehörlose kommunizieren in Gebärdensprache, einer vollwertigen Sprache, und können auch Lautsprachen lernen und sprechen.