Einleitung
Die Nasulecher sind ein Phänomen: Aus zwei nebeneinander
liegenden Löchern tritt Wasser aus, das aus einem See stammt, der
sich rund 50 Meter im inneren der Ostflanke des Bietschtals
befindet.
Beim See befindet sich eine kleine Öffnung, die als Ohr
bezeichnet wird. Der Weg zurück ans Tageslicht führt jedoch über
einen anderen Gang, dem Auge (auf gleichem Weg ein paar Meter
zurück, danach geht es aufwärts).
Es gibt zwei Möglichkeiten, zu den Nasulechern zu gelangen
(siehe weiter unten), es empfiehlt sich jedoch, dazu die Hilfe
eines Bergführers zu beanspruchen (Alpinschule Bietschhorn
Ausserberg, www.alpinschule.ch).
Zwei Sagen
Im kleinen See befindet sich Holz, dessen Ursprung auf das 12.
Jahrhundert zurück geht und das von Menschen dorthin geschafft
worden sein muss. Das ist Stoff für Sagen.
Die erste Sage hat Hans-Christian Leiggner aufgeschrieben, sie
wurde im „Walliser Jahrbuch 2009“ veröffentlicht:
Der Ausserberger Volksmund erzählt, dass eines Sommers zwei
Brüder die Funktion der Wasserhüter von Raaft und Leiggern inne
hatten. In den frühen Morgenstunden eines heissen Sommertages
trafen die beiden zur Wasserscheidung des Horugiegi zur gleichen
Zeit am Grieläger ein.
Es entbrannte ein heftiger Disput darüber, welcher Alp mehr
Wasser zustehe. Der Streit entwickelte sich derart rasend, dass
beide Brüder meinten, nur Hiebe mit dem Beil bringe den anderen zum
Schweigen. Dabei erschlugen sie sich gegenseitig – im selben
Moment, als beide blutüberströmt zu Boden sanken, versiegte die
Quelle am Fuss des Wiwannihorns.
Die Leiggrer und Ärrefter interpretierten das Versiegen der
Quelle als eine Strafe des Herrn: Brudermord darf nicht ungesühnt
bleiben. Dennoch ballten die Älpler die Faust im Sack. Was nützt
eine religiös-moralisch betrachtet gerechte Strafe den verdorrenden
Matten und dem dürstenden Vieh?
Fortan litten beide Alpgeteilschaften grosse Not – bis
eines Tages ein flinker Leiggrer Jäger über die Entdeckung einer
neuen Quelle in den steilen Hängen berichtete. Am nächsten Tag
stieg eine etwa zwanzig Mann starke Truppe zur Leiggreralpe und
begab sich beim Bitzitorro in die steil abfallende, schwierig zu
begehenden Ostflanke des Bietschtals. Nach einem anspruchsvollen,
anderthalbstündigen Abstieg wurden sie fündig: D Nasulecher!
Und siehe da! Aus jedem Nasenloch sprudelte jene Wassermenge der
Horugiegi-Quelle für die Alpen Raaft und Leiggern, fein säuberlich
hälftig geteilt. Nach der Erkundung des Höhlensystems schien allen
klar zu sein, von wo das Wasser kam.
„Das Wasser kommt vom Wiwanni!“ sagte der Imboden
beim Quellsee. „Wäre es doch immer noch möglich, dieses
kostbare Nass den Alpen Raaft und Leiggern zuführen zu
können!“ meint der neben ihm stehende Heynen. Daraufhin sagte
der Leiggener: „Wenn es sich hierbei tatsächlich um das
Wasser der Horugiegi-Quelle handelt, existiert eine unterirdische
Verbindung hinauf zum Fuss des Wiwanni – gelingt es uns, den
Austritt des Wassers hier zu stoppen, könnte der Rückstau unsere
alte Quelle wieder beleben!“ Der Treyer daneben nickte und
fügte hinzu: „Dies würde unseren Alpen wieder jene Blüte
zurückgeben, die ihnen zweifelsohne zusteht!“
Und sie machten sich an die Arbeit. Starkes, zu Balken
zugeschnittenes Lärchenholz sollte das Wasser zurück stauen, damit
es wieder vom Fusse des Wiwanni quillte. Die Kraft des Wassers
liess jedoch den Holzwall zerbersten und das Vorhaben zu einer
entnervenden Sisyphusarbeit verkommen. Bald kapitulieren die Älpler
und stellten konsterniert fest: „Ausserberg bleibt sommers
staubtrocken und das kostbare Nass der Nasenlöcher findet den
direkten Weg in den Bietschbach und nicht via Horugiegi nach den
brandroten Matten von Leiggern oder vom Raaft. Hätten wir doch
nicht immer derart verbittert gestritten und den beiden Brüdern das
Wasserhüteramt übertragen!“
Die Quelle der folgenden, gekürzten und redigierten Sage ist
nicht bekannt:
In der letzten Eiszeit brauchten die grossen Urwesen neue
Berggeister. Wanni, ein kleiner Berggeist erhielt die Aufgabe, über
das Wiwannihorn und die umliegenden Berge zu wachen. Bald freundete
er sich mit den Tieren an, und als die Menschen das Rhonetal
besiedelten wünschte er sich nichts sehnlicher, als auch diese
lustigen Zweibeiner als Freunde zu gewinnen.
Doch zu seiner Enttäuschung kam es anders. Die Menschen
vertrieben seine Tierfreunde. Zusammen mit dem Wind setzte er dem
Menschenübel mit einem Gewitter ein Ende. Enttäuscht über sich und
traurig, dass er keinen Menschenfreund gefunden hat, zog er sich in
die Nasulecher zurück, wo er lange verborgen blieb.
Zur gleichen Zeit wurden die Menschen unten im Tal von einer
Hungersnot heimgesucht. Tiere fanden einen Hirtenjungen mit offenem
Herzen und führten ihn zu den Nasulecher und ihrem Freund Wanni, in
der Hoffnung, die beiden würden Freundschaft schliessen, so dass
Wanni seine Aufgaben als Schutzgeist wieder wahrnehmen würde.
Der Plan gelang. In einer Art Traum begegneten sich die beiden
und wurden unzertrennliche Freunde.
Zwei Zugänge
Die spannendere Route (Schwierigkeit T6, siehe SAC-Skala) führt
von Leiggern nach Trosibode, ab hier mit Seil (50 Meter, einige
Borhaken vorhanden) und Expressschlingen für die Zwischensicherung
in nördlicher Richtung die Felswände durchqueren, die Nasenlöcher
oben umgehen und auf der nun sichtbaren Wegspur zum linken
Nasenloch absteigen. Bei Nässe sind die abschüssigen Platten und
steilen Rinnen glitschig! Auf gleichem Weg zurück oder über
leichterer Route ins Bietschtal absteigen.
Die etwas leichtere Route (Schwierigkeit T4+ / siehe SAC-Skala)
führt über eine kurze Kletterstelle (mit Kette gesichert).
Ausgangspunkt ist die Bahnbrücke im Bietschtal, von dort über die
Naturbrücke aufsteigen, weiter nach Eschji und bis zur Holzbrücke
beim Punkt 1339. Am Ende der Brücke kaum sichtbare Wegspur suchen,
die dann deutlicher wird und zu den Nasulecher aufsteigen. Der Weg
ist nicht immer sichtbar und muss gelegentlich gesucht werden. Ein
Pickel vereinfacht den Aufstieg.
Cache
Die kleine gelbe Dose befindet sich beim Ausstieg auf der linken
Seite etwa auf Kopfhöhe (links, wenn man in den Ausstieg hinunter
schaut). Keine gefährliche Suchaktion notwendig! Siehe
„Hint-Bild“.
Ausrüstung für die Nasulecher
Stirnlampe und Helm. Der Einstieg zum kleinen See im Hirn ist
nass, der Ausstieg durch das Auge dagegen staubig. Ein- und Ausgang
ist nicht identisch.