Ein etwas anderer Mystery-Multi - nach einer Idee von
Wutschkow.
Die finale Suche nach dem Geheimnis beginnt dort, wo sie im letzten
Teil endete.
Viele Male wanderte mein Blick zwischen Pergament und dem
Stückchen beschmierten Plastiks hin und her. Ein eher schlechter
Tausch gegen den Schlüssel, denn nun hatte ich gar nichts
Handfestes mehr in der Hand. In einer Mischung aus Enttäuschung und
Verzweiflung ging ich wieder hinein und verzog mich in den
ruhigeren östlichen Teil, in dem ich schon so viel Zeit verbracht
hatte.
'B.N.S. - habt ihr einen letzten Hinweis für mich?'
Gedankenlos wanderte mein Blick gegen den Uhrzeigersinn durch den
Raum, bis meine Augen ohne besonderen Grund auf dem dritten
Totenschild verweilten. Dieses Wappen... wo hatte ich das schon
einmal gesehen? Plötzlich spürte ich eine sanfte Berührung an
meiner Seite. Mein Blick fiel auf eine Nonne in schwarzem Habit,
die meinem Blick gefolgt war und ebenfalls auf das Wappen starrte.
Kaum wahrnehmbar flüsterte Sie mir etwas zu: 'Ave
infidelius!'
Ich erstarrte, wagte kaum zu atmen. Sie entfernte sich in
bedächtigem Schritt, einige Sekunden später folgte ich vorsichtig.
Am Nordausgang sah ich noch den Zipfel ihres dunklen Gewandes durch
die schwere Glastür verschwinden. Als ich Gleiches tun wollte,
griff mich eine starke Hand. Die Nonne zog mich in dem Zwischenraum
zur Seite und sprach hastig. 'Nur wenige vor Euch haben die
Bedeutung des Wappens gespürt. Ihr seid auf der richtigen Spur!
Sucht diesen Ort auf, in dessen Nähe Ihr das Wappen schon einmal
gesehen habt.'
Die Schwester in Schwarz drückte mir ein Bild in die Hand,
aufgenommen an einem kalten Wintertag. Eine Gedenkstätte? Oder eine
Friedhofskapelle? Verwirrt schaute ich das Bild an. Auf die
Unterkante waren ein paar kryptische Daten gedruckt.
'Was zum...' mein Blick wandte sich zu der verhüllten
Frau, die gerade durch die Tür entschwinden wollte. Schnell hielt
ich sie am Handgelenk fest. 'Schwester, wie soll ich diesen Ort
finden? WAS soll ich dort finden? Ein Bild und Gottes Hilfe allein
werden nicht reichen!' Sie zögerte, wollte sich losreißen, doch
dann griff sie erneut in ihr Scapularium, presste einige Sätze
zwischen ihren zitternden Lippen hervor und schloss mit den Worten:
'Nicht Gott wird Euch helfen, sondern der Tod.' Sie gab mir
eine Phiole, gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit. 'Nehmt das,
und betet! Mehr könnt Ihr von mir nicht verlangen, nun lasst mich
gehen!'
Verblüfft ließ ich die Nonne los. Staunend betrachtete ich die
Phiole in meiner Hand einige Sekunden, bevor ich sie öffnete und
aus ihr trank, bevor ich über die möglichen Konsequenzen nachdenken
konnte.
Die Frau war mit leisem Schritt längst
verschwunden, doch Ihre Stimme hallte noch in meinem Ohr. Nein,
jedes Geräusch hallte unangenehm in meinem Ohr. Mein Blick
verschwamm zusehends, und ich sank mit wackeligen Knien in die
nächste Bank. Was geschieht mit mir? War das ein Gift? Sollte mein
Tod gemeint sein? War ich jemandem im Weg? Halt, was war das für
ein Licht? Leuchtende Nebelschwaden formten sich über dem Altar,
und in ihrer Mitte bildete sich eine Gestalt. Nein - eine Figur -
der TOD! Mein Atem stockte, alle Sinne waren benebelt, nur diese
Vision brannte sich in mein Hirn, bis ich ohnmächtig
zusammensackte. Doch das Bild in meinem Kopf blieb allgegenwärtig.
Ich erwachte erst, als es bereits dunkel wurde. Alle Sinne waren
wieder klar. Auf die Bänke gestützt verließ ich den Ort. Ich musste
die Hinweise finden!
Die Suche kostete mich einige Tage. Eher zufällig blickte ich
von Westen an einem Gebäude hoch. 15 Öffnungen über einer
auffälligen Rose - die eindrucksvolle Fassade war mir noch nie
aufgefallen. Nichtsahnend ging ich weiter, blickte nun von Süden
auf das Bauwerk. Was war denn das? Türen aus Holz, etwa 66 Ellen
hoch? Während ich über diesen Irrsinn nachdachte, umrundete ich das
Gebilde weiter, stand nun an der südöstlichen Ecke. Irgendwas an
dem Gebäude gegenüber hatte in meinem Kopf etwas ausgelöst. Mein
Blick schweifte über Mauern, und mir blieb fast das Herz
stehen.
Das Wappen! Das ist das Wappen aus der Kapelle! Mit klopfendem
Herz schaute ich mich schnell um, suchte nach weiteren Hinweisen.
Sollte mir hier der Tod weiterhelfen? Kaum hatte ich den Namen
gedacht, da fiel mein Blick auf eine Reihe von Figuren, nur etwa 15
Ruten entfernt, im Süden des großen Bauwerks. Schnellen Schrittes
hastete ich näher heran. Himmel hilf - ich hatte den Tod gefunden!
Nun waren es nur noch wenige Schritte nach Nordwesten, wo mich der
Eingang zu dem Ort auf dem Foto führen sollte. Ich trat ein...
Die ersten beiden Hinweise vom Bild dieses Ortes machten nun
Sinn. Hier hielt ich mich genau an die Anweisungen der Nonne:
'Wenn Ihr die Hinweise entschlüsselt habt, nehmt vom zweiten
Hinweis die zweite Zahl, sie sei Jota. Begebt Euch nun an den Ort,
sucht das Grab (Jota-1), beginnt dabei im Westen zu zählen. Der
Geburtsmonat meiner Schwester sei Ny, die Summe der übrigen, durch
Punkte getrennten Zahlen sei Kappa. Folgt nun dem Leid des Herrn
bis zur Station Ny+Ny, und die Anzahl der Buchstaben des Spruches
(ohne Überschrift) sei Rho. Findet nun einen Stein, dessen Segen
beschädigt ist. Von dort benutzt Hinweis drei, aber ersetzt die
Entfernung, und nur die Entfernung, nicht die Maßeinheit, durch
(Kappa-Jota-3*Rho) und die Richtung durch Ny*Rho Grad. Dort nehmt
Hinweis vier (bis auf den letzten Teilsatz) und sucht Euer Glück...
oder sollte ich besser sagen Unglück? Gebt auf Euch Acht!'
Als ich das Versteck gefunden hatte, war ich mehr als enttäuscht
- oder war es eigentlich Erleichterung? Verwirrt ging ich in die
nächstgelegene Kirche und setzte mich in eine der Bänke. Was ich
gerade entdeckt hatte, war weder die Lösung des Rätsels, noch
brachte es mich auf den ersten Blick einen Deut weiter. Aber ich
erlangte Zugang zu einem weiteren Ort, der nur noch mehr
Geheimnisse und Rätsel aufgab. Wo sollte das alles nur enden? Warum
sollte ich nun auch noch dorthin gehen? Nahm diese Reise denn gar
kein Ende? Eine Andacht begann, der ich geistesabwesend folgte,
ohne wirklich zuzuhören. Doch als die Predigt begann, traf es mich
wie ein Stich ins Herz. Spielten meine Gedanken verrückt, oder
stammt der Predigttext wirklich aus dem Brief an ... 'Das kann
nur ein Zufall sein', versuchte ich mir einzureden. Vor meinem
geistigen Auge sah ich mich über eine Bibel gebeugt in einer Bank
sitzend, unter den Augen des Todes in eben diesen Brief vertieft.
Mein Kopf begann zu schmerzen, und ich presste die Hände an die
Schläfen.
Die Predigt war längst beendet, als ich wieder einen
einigermaßen klaren Kopf hatte, und ich reihte mich ein, um das
Gotteshaus zu verlassen. Am Ausgang stand wie üblich der Pfarrer,
gab jedem Gläubigen zum Abschied die rechte Hand und überreichte
mit der Linken eine halbwegs lesbare Kopie des Predigttextes zum
Nachlesen. Ich zwang mir ein Lächeln ab, stopfte das überreichte
Blatt in die Manteltasche und eilte nach draußen.
Nur wenige Schritte später fiel mir auf, dass bei meiner
Verabschiedung etwas anders war: Der Pfarrer hatte kein Blatt von
dem Stapel Kopien genommen, sondern mein Exemplar aus dem Ärmel
seiner Soutane gezogen! Ich kramte das Papier hervor und traute
meinen Augen nicht. In fein säuberlichen Strichen war der Text in
einer altbekannten Schrift verfasst, von Hand geschrieben. Den
Anfang kannte ich, doch mit den folgenden Sätzen stimmte etwas
nicht. Was war das nun wieder für ein böses Spiel? An die Seite
waren hastig einige Zeichen gekritzelt. Doch inzwischen dreht sich
alles, ich sah überall nur noch Zahlen, Buchstaben, Verschwörung,
Tod - nein, NEIN, ICH KANN NICHT MEHR!
Wie in Trance brachte ich den Fund an seinen Platz zurück. Meine
Kraft ist am Ende. Das Bild wurde kopiert, ebenso der falsche
Predigttext. Für meine Recherchen habe ich stets die Schlachter Bibel 1951 benutzt.
Und nun ist es an Euch, Gemeinschaft der Wissenden, das Rätsel zu
lösen, damit unser aller Herzen endlich Ruhe finden.
Haltet ein! Mein Bote brachte soeben eine wichtige Nachricht der
ersten treuen Seelen, die dem Geheimnis auf der Spur sind. Sie
berichten, dass das Versteck der Informationen am Besten mit
stabilen, L-förmig gebogenen Drahtbügeln zugänglich ist. Zur Not
sollten auch starke(!!!) Magnete genügen, wenn man an Ihnen ziehen
kann. Rüstet Euch entsprechend! Und nun: Wohlan, treue Brüder und
Schwestern!
Bruder Franziskus