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Geschichte:
Westufer des Zürichsees, August 1940. Der Sommer war
kurz gewesen, viel zu kurz. Beat Wunderli fror in der Kanzel seiner
Messerschmitt ME-108, die sich im Landeanflug auf den unscheinbaren
Flugplatz Lachen am Zürichsee befand. Der Pilot wusste nicht zu
entscheiden, ob er sich nach der hochsommerlichen Wärme sehnen
sollte, die ihm vor wenigen Tagen noch mehr Schweisstropfen auf die
Stirn getrieben hatte, als seine heikle Mission, oder ob er
vielmehr die ungewöhnliche Kälte dieses Morgens begrüssen sollte.
Wenn er nur endlich am Boden wäre... Die Ansammlung von Blech um
ihn herum, welche er einmal "Flugzeug" genannt hatte, klapperte mit
jeder zurückgelegten Meile beunruhigender. Es erschien Beat beinahe
wie ein Wunder, dass sein Flugvehikel nicht auseinandergefallen
war, ehe er die Landebahn von Lachen tief unten zu erspähen
vermochte. Doch nun schien der graue Asphaltstreifen zum Greifen
nahe. Mit schabendem Geräusch schob sich das Hauptfahrwerk aus dem
Rumpf der Maschine, und alles um Wunderli herum begann zu
vibrieren. Sein Atem kondensierte zu kleinen Dunstwölkchen, während
er verspannt den Steuerknüppel der Maschine umklammerte. Die
Luftüberwachung hatte ihm unlängst die Landeerlaubnis erteilt, und
nun hob sich die verbeulte Flugzeugnase vor seinen Augen langsam in
die richtige Position zur Landung. Beissender Wind drang durch
zahlreiche Ritzen und Löcher in die Kanzel. Noch 100
Höhenmeter...noch 70... noch 30... Kurz vor dem Aufsetzen geschah
es. Ein nervenzermürbendes Knirschen ließ Beat Wunderli kurz
zusammenfahren. Er spürte mehr, als er hörte, wie Teile der
Maschinenhülle sich lösten und polternd im Luftzug hinter ihm
verschwanden. Die ME-108, oder was davon übrig war, schlingerte
heftig, doch es gelang dem Schweizer Flieger, sie mehr oder minder
ordnungsgemäß aufzusetzen und abzubremsen. Das Wrack, welches
unweit des Hangars zum Stehen kam, durfte kaummehr flugfähig
gewesen sein. Wunderli verlor jedoch keinen Gedanken an den Zustand
seiner Maschine, als er sich hastig aus der Kanzel befreite und um
den Blechhaufen herum eilte. "Gopferdammisiech nomal!", entfuhr
es ihm. Nicht nur, dass die Verkleidung des Stauraums für seine
Fracht sich gelöst hatte und kurz vor der Landung gänzlich
abgerissen war, auch der Metallkasten an der gegenüberliegenden
Wand war aufgesprungen und hatte sich seines Inhalts entledigt.
Fassunglos wanderte der Pilot mit den Augen die Landebahn entlang,
zurück bis an jenen Punkt, an dem er aufgesetzt haben musste. So
weit war er gekommen, selbst unter widrigsten Bedingungen. Er hatte
von deutschem Boden abheben können, ohne dass seine kostbare Fracht
den dortigen Kontrolleuren in die Hände gefallen war, war in den
heimatlichen Luftraum eingedrungen, ohne den Bomberverbänden der
Alliierten in die Quere zu kommen, oder gar von den eigenen Leuten
fälschlich zur verfrühten Landung gezwungen worden zu sein. Beat
hatte bereits Erleichterung in seinem Inneren aufkommen gespürt,
als er die Dokumente aus seinem Frachtraum bereits sicher in
General Guisans Händen sah. Doch das Schicksal meinte es nicht gut
mit ihm. Ohne lange zu überlegen, wandte der Flieger sich der
Landebahn zu und eilte in zügigem Laufschritt ihrem äußeren Ende
entgegen.
Atemlos erreichte
Wunderli den Windsack weit draußen auf der Ebene. Hastig sah er
sich um. Tatsächlich, im Umkreis von einigen Dutzend Metern
verstreut entdeckte er mehrere Wrackteile seines Flugvehikels. Der
Pilot eilte von Teil zu Teil, durchsuchte jedes Bruchstück und das
hohe Gras in der Umgebung. Von den Dokumenten fand er keine Spur.
Nervös sah er in Richtung des Flugplatzes zurück. Noch schien sein
seltsames Verhalten kein all zu großes Aufsehen erregt zu haben.
Beat Wunderli wusste, dass er auch auf schweizerischem Boden
keineswegs vor NS-Sympathisanten und Spionen sicher war. Die
verlorene Fracht war zu brisant - und zu wertvoll für seine
Landsleute - als dass sie hier den falschen Leuten in die Hände
fallen durfte. Nicht nur, dass es einer guten Portion Glück bedurft
hatte, dass er die niedergeschriebenen Pläne zur "Operation
Tannenbaum" so bald nach ihrer Entstehung unbemerkt in die Hände
bekam und zu kopieren vermochte, es handelte sich bei diesen
strategischen Skizzen um detaillierte Angriffspläne der deutschen
Wehrmacht gegen die Schweiz selbst! Gewiss sonnte der deutsche
Generalstabshauptmann von Menges sich ahnungslos in Genugtuung über
den Abschluss seiner Planungsarbeiten, ahnungslos davon, dass seine
Entwürfe schon bald in den Händen des Feindes liegen würden....
hätten liegen sollen? Wunderli schüttelte den Gedanken mit einer
harschen Geste fort. Die Pläne mussten das Schweizer Oberkommando
erreichen, koste was es wolle! Doch je länger er sich hier draußen
aufhielt, desto mehr riskierte er, Aufmerksamkeit zu erregen. Zudem
würde die Suche nach seiner Fracht Spezialisten erfordern. Der
Pilot würde seine Vorgesetzten ersuchen, eine der
Fährtenleser-Einheiten aus dem Gebirge zur "unauffälligen Bergung
zerstreuter Wrackteile" einzusetzen.... Ruckartig blähte sich der
Windsack über Beats Kopf auf. Natürlich, die Dokumente waren nicht
schwer und würden wie ein Segel vom Wind getragen worden sein. Wenn
die Fährtenleser eintrafen, würden sie Informationen über
Windrichtung und Windstärke zum Zeitpunkt der Landung benötigen.
Die Einöde hier draußen war wahrscheinlich der letzte Ort, der
abgehört oder anderweitig ausspioniert wurde. Wunderli betrachtete
die Zeichen auf einer harmlos erscheinenden Tafel am Mast des
Windsacks. Kurz darauf kramte er einen Papierfetzen und einen
Bleistiftstummel aus seinem Fliegeranzug und begann eilig zu
kritzeln.
Dies war der
Startpunkt unseres einstigen Multis "Operation Tannenbaum". Da
jedoch einige der Stationen extrem muggelgefährdet waren und
mittlerweile teilweise unzugänglich sind, weisen die obigen
Koordinaten nun direkt auf den Final, welcher Beat Wunderlis
geheime Dokumente enthält.
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