Mit dieser Cache-Serie möchte ich die
Entwicklung von Borghorst vom Dorf zur Industriestadt verfolgen,
die etwa in der Mitte des 19. Jahrhundert begonnen hat.
Was bedeutet
Industrialisierung?
Die Geschichte der Leinenweberei in
Borghorst lässt sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen.
Die ersten Weber waren Hausweber. Im 19. Jahrhundert kamen die
Begriffe Faktorei oder Fabrik auf. Sie waren aber noch nicht genau
definiert. Daher war bereits frühzeitig die Rede von ersten
Fabriken. Nach unserer heutigen Definition ist eine Fabrik erst
dann eine Fabrik, wenn die Arbeiter ihre Tätigkeiten in dem
Fabrikgebäude ausführen.
Heimarbeiter, die sich zusammenschließen oder gemeinsam von einem
Kaufmann angeheuert werden, sind nach unserem jetzigen Verständnis
keine Fabrikarbeiter.
Nach diesem Verständnis war die
Fabrik der Firma Brader, Rabe & Co. die erste Fabrik in
Borghorst. Mit ihrer Inbetriebnahme begann in Borghorst die
Industialisierung.
Die zeitliche und geographische
Entwicklung
Im Jahre 1852 hatte das Dorf
Borghorst erst 1702 Einwohner. Dementsprechend gab es noch deutlich
weniger Straßen und Häuser. Eine Karte aus dem Jahre 1841 findet
ihr unter
http://www.kreis-steinfurt.de/C12573D40043021C/html/7D7B2217AE39D7AEC1257402004E52EA?opendocument&nid1=34657_39521>
http://www.kreis-steinfurt.de/C12573D40043021C/html/7D7B2217AE39D7AEC1257402004E52EA?opendocument&nid1=34657_39521
(Hinweis für Auswärtige: unter dieser Adresse
sind historische Karten aller Orte des Kreises Steinfurt zu
finden.)
Die
Gantenstraße ist bereits deutlich älter als die Altenberger Str.,
die erst zwischen 1840 und 1845 gebaut wurde. Die Eisenbahnstrecke
zwischen Münster und Gronau hat erst am 30. September 1875 ihren
Betrieb aufgenommen. Da aber bereits 1789 die Garn-, Leinen und
Baumwoll- Großhandlung Rubens und Hageböck an der Gantenstraße
gegründet wurde, ist der Verkehrsweg als solches wahrscheinlich
noch deutlich älter.
Insgesamt
gab es in dieser Ecke von Borghorst schon frühzeitig
Textilunternehmen. So stand früher auf der Ecke Münsterstraße –
Meerstraße (Heute Werner Otto) die Gaststätte „Zur Krone“, das
Elternhaus von Anton Wattendorf, welches ab 1824/25 zu einer
Webwarenhandlung wurde.
Dort, wo
heute der Baustoffhandel Dalhoff ist, wurde 1858 die Färberei
Tenbaum gegründet.1871 nahm hier eine mechanische Baumwollweberei
mit 60 Arbeitern und 110 Webstühlen den Betrieb auf. 1896 ging aus
diesem Unternehmen die Firma Heine & Elperting hervor.
Gegenüber von Heine & Elperting gab es einmal die Firma Wildt
und Matthesen, die aus der bereits oben erwähnten Großhandlung
Rubens und Hageböck hervorging.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich hier, wo der Cache
liegt, gewissermaßen die Keimzelle der beginnenden
Industrialisierung befindet.
Die Firma Brader, Rabe und
Co.
Der Kaufmann Johann Heinrich Brader
(1833-1897) aus dem Großherzogtum Oldenburg gründete mit seinem
Schwager Johann Rabe, der als Geldgeber fungierte, die Firma
"Brader, Rabe und Co."
Hinter dem „Co.“ verbargen sich die in Borghorst nicht unbekannten
Leinen- und Nesselverleger Wattendorff, Kock und
Hageböck.
Im Jahr 1856 nahm eine Stärkerei und
Schlichterei ihren Betrieb auf. Bereits ein Jahr später folgte die
erste mechanische Spinnerei mit einer Dampmaschine von 80 PS. Das
Unternehmen, in dem 16000 Spindeln zum Einsatz kamen und 185
Arbeitsplätze geschaffen wurden, war damals das größte seiner Art
im Münsterland.
Im Jahr 1860 wurde die Spindelzahl um
3000 Stück vergrößert und 260 Arbeiter beschäftigt. Der Firma wurde
1877 eine mechanische Weberei angegliedert, in der 1879 bereits 260
Webstühle liefen und 100 Arbeiter beschäftigt waren. Im Jahr 1880
eröffnete die ebenfalls zu Brader, Rabe & Co. gehörende
Färberei und Bleicherei Nünningsmühle an der Aa den Betrieb. Aus
dem Unternehmen wurde später die Spinnerei und Weberei Borghorst
AG.
Wegen eines permanenten
Geschäftsrückgangs wurde der Betrieb 1906 an die Borghorster Warps
Spinnerei (BWS) verkauft.
Am 17. September 1907 entstand im
Mischraum der Spinnerei ein Feuer, dass sich binnen kurzer Zeit auf
die ganze Fabrikanlage ausweitete. Trotz Hilfeleistung der
Burgsteinfurter Wehr brannte die Fabrik fast ganz aus. Es entstand
ein Versicherungsschaden von über 1 Million Mark.
Dieser Brand dürfte wohl der größte gewesen sein, den Borghorst
jemals erlebt hat. Für viele Borghorster ist er einer Katastrophe
gleich gekommen.
Brand der BWS am 17.09.1907
Die Gesellschafter der BWS begannen
bereits bald, die Fabrik nach den modernsten Gesichtspunkten wieder
aufzubauen. Es entstand das Fabrikgebäude, dass im Jahre 2006 dem
heutigen BWS-Zentrum weichen musste.
Die BWS-Fabrik um 1956
Etwa dort, wo heute die
LKW-Belieferung des Einkaufszentrums (EDEKA) stattfindet, muss es
noch bis vor nicht allzu langer Zeit einen Teich gegeben haben, der
den älteren Borghorstern noch als „Braden Diek“ (Braden Teich)
bekannt ist. Abgesehen davon ist der Name „Brader, Rabe & Co.“
in Vergessenheit geraten.