Hier die Sage zum Gänseschnabel
In Ilfeld lebten einst, in dem noch heute erhaltenen
Klostergebäude, Mönche nach den strengen Regeln des Ordens der
Prämonstratenser. Sie arbeiteten, beteten und führten ein Leben in
Abgeschiedenheit. Es war Ihnen - unter Androhung von hohen Strafen
- verboten, die Klostermauern zu verlassen. Sie durften auch nicht
heiraten, denn sie hatten nur Gott, ihrem Herrn, in Demut zu
dienen.
Einer der Mönche, sie nannten ihn Gregor, sah fast täglich an der
Klostermauer ein Mädchen mit einer Schar Gänse vorbeiziehen.
Weithin leuchtete das lange, blonde Haar der Gänsehirtin. Ihr
schönes Haar war der einzige Schmuck, den sie besaß, denn sie war
sehr arm.
Mutter und Vater waren früh gestorben und so musste sie bei
fremden Menschen dienen. Sie hütete die Gänse der Fremden und bekam
dafür nur geringen Lohn und geringe Kost. Für neue Kleidung reichte
ihr Geld nicht. Wenn es im Herbst rauh und kalt wurde, fror sie oft
bitterlich in ihrem dünnen, grauen Kittelchen. An solchen Tagen zog
die Gänseliesel, so nannte sie das ganze Dorf, mit besonders
traurigem Gesicht dem Walde zu, um dort ihr Tagwerk zu
vollbringen.
Das schöne Kind tat dem Mönch Gregor leid. Tag und Nacht
überlegte er, wie er Gänseliesel helfen könnte. Eines Tages tat er,
was ihm streng verboten war. Er verließ die Klostermauern und
folgte dem Gänseliesel in den Wald. Liesel freute sich sehr, dass
sich endlich ein Mensch um sie sorgte. Sie gewannen sich beide sehr
lieb. Von nun an trafen sie sich heimlich jeden Tag im Wald. Gar zu
gern hätte Gregor das Liesel geheiratet, aber das durfte er als
Mönch ja nicht. Ihre heimliche Liebe blieb zwar den Menschen
verborgen, doch die Waldgeister sahen es oder hörten davon.
Als eines Tages der Mönch auf einem der Berge am Rande des
Ilfelder Tales stand und seinem Liesel auf der anderen Seite
zuwinkte, kam eine böse Hexe geschlichen. Da sich Gregor außerhalb
des Klosters befand, hatte sie Gewalt über ihn. Sie verzauberte ihn
unter großem Getöse und Rauch in einen mächtigen Felsen. Als
Gänseliesel über sein Unglück jammerte und bitterlich weinte,
ereilte sie der selbe Zauber der bösen Hexe. Sie wurde in einen
Felsen verwandelt, der wie ein Gänseschnabel aussah. Da standen sie
sich nun gegenüber und waren fortan für immer voneinander
getrennt.
Noch heute kann man beide Felsen sehen. Der "Mönch" und der
"Gänseschnabel" stehen sich unbeweglich auf den Bergen gegenüber
und warten auf Erlösung von dem Hexenzauber, um doch noch
miteinander glücklich zu werden.