Charles Muller macht Urlaub
Die Glastür der Pension flog stürmisch auf und Molly betrat die einfache Eingangshalle. Der Luftzug brachte die Papiere und Prospekte, die am Tresen auslagen, zum Flattern. Der Portier sprang dienstbeflissen auf.
Molly hob grüßend die Hand.
"Ist er da?" Eine mehr rhetorische Frage und Molly wollte schon weiter zur Treppe gehen, als der Portier sie heranwinkte und sich dabei verstohlen umsah.
"Mister Muller ist gestern abgereist, Miss Preston." Zerknirscht blickte der ältliche Mann sie an, man konnte ihm ansehen, dass ihm die Überbringung dieser Nachricht keine Freude bereitete.
Molly zog nur die Augenbrauen hoch und verzog ansonsten keine Miene.
"Wissen Sie, wohin er gereist ist? Hat er etwas hinterlassen?"
Der Portier kannte sie nun schon seit Jahren und hatte sie oft genug zusammen mit Charles Muller gesehen, doch diese Situation war auch für ihn neu.
"Nein, es tut mir leid, mir hat er nichts gesagt." Molly sah ihn argwöhnisch an und wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Dass Charles nun den Spieß umdrehte und ohne Vorwarnung verschwand war neu.
"Hat er sein Gepäck mitgenommen oder sind noch Sachen hier?" Irgendetwas musste er doch hinterlassen haben!
"Das Zimmer ist noch für den Rest des Monats bezahlt. Möchten Sie selbst nachsehen?"
Dafür könnte der Portier seine Stelle verlieren, das war auch Molly bewusst, trotzdem nahm sie den Zimmerschlüssel entgegen und lief rasch die Treppe nach oben.
Im dunklen Flur verharrte sie kurz vor der geschlossenen Tür und lauschte, doch es war nichts zu hören. Nicht dass sie etwas erwartet hätte, doch diese Art von Vorsicht war ihr schon längst in Fleisch und Blut übergegangen.
Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn, drückte die Klinke hinunter und schob die Tür langsam auf, ohne das Zimmer zu betreten. Erst als die Tür bis zur Wand aufgeschwungen war, trat sie in den Türrahmen und blickte sich aufmerksam im Zimmer um.
Die Einrichtung war mehr wie ein altmodisches Wohnzimmer gehalten und weniger wie ein Fremdenzimmer, das hatte Charles an diesem Haus immer so geschätzt. Auch jetzt strahlte der Raum keine Leere aus, sondern schien auf seinen Bewohner zu warten.
Molly durchquerte das Zimmer und betrat das Schlafzimmer. Eine oberflächliche Untersuchung ergab keine Hinweise auf eine baldige Rückkehr, alle Schränke waren leer, das Bett frisch gemacht und alles aufgeräumt. Keine Schuhe unter dem Bett, kein Koffer im Schrank, keine Zahnbürste im Badezimmer.
Sie kehrte ins Wohnzimmer zurück. Selbst die Obstschale auf dem niedrigen Tisch war leer, genauso wie der Sektkühler auf der Anrichte.
Warum sie ausgerechnet da hineinblickte wusste sie selbst nicht, denn er enthielt zwar keine Flasche, jedoch einige Dinge, die sie beim letzten Mal definitv nicht darin gesehen hatte.
Sie nahm den Behälter und kippte ihn auf dem Tisch aus. Ein eigenartiges Sammelsurium von Gegenständen kullerte heraus. Ein kleiner Kompass, ein Maßband, eine Kreditkarte? Nein, eine Miles and More Gold Card sowie eine aus einem Schreibblock herausgerissene Seite. Molly strich das Blatt glatt, sah Buchstaben, Zahlen, Linien, ein Rätsel. Offenbar sollte sie eine Reise machen...
Molly lehnte sich auf dem Sofa zurück und dachte kurz nach. Danach steckte sie den Zettel und die Karte ein und verließ das Zimmer.
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