Sächsische Sagen: Der Sprung vom Backofenfelsen
Es gab eine Zeit, da oberhalb und unterhalb von Hainsberg noch keine Blechkaravanen verkehrten. Statt ihrer kreuzten aller Nase lang in Blech gewandet verschiedenartige Rittersleute auf, die als Raub- oder Glücksritter, Ordens- oder Kreuzritter durch die Gegend zogen. Mal dienten Sie einem Herrn, mal bedienten sie sich selbst. Feld, Wald und Flur konnten schnell zu Selbstbedienungsläden werden, wenn die eigens dafür vorgesehenen Hütemeister rechte Tranlampen waren. So geschah es, dass einst einem Ritter ein Hirsch begegnete, der ein imposanter Zehnender gewesen sein soll. Anstatt nun das Tier sich selbst oder einem Wildhüter zu überlassen, jagte der Ritter auf seinem edlen Ross durch Busch und Tann hinter dem Zehnender her. Während der Hirsch sehr wohl witterte, dass seine Rettung jenseits der Weißeritzschlucht zu finden sei, hatte der Ritter im Jagdfieber die Orientierung verloren.
Die Holzschranke am Fuße des Berges konnte das Pferd nicht aufhalten. Es sprang darüber und folgte dem grün-weiß gekennzeichneten Wanderweg. Nach 55 Metern scheute es am Baum mit der verkrüppelten Wurzel und galoppierte gerade aus den Waldweg weiter. Nach 360 anstrengenden Metern springt es kurz vor dem Wegweiser über das Tal. Der Ritter konnte sich gerade so auf dem Pferd halten - immer den Hirsch im Visier. In seinem Jagdfieber konnte er sich die Werte auf den Wegweisern gar nicht einprägen. Hoffentlich nehmt Ihr euch an dieser Stelle mehr Zeit dafür. Der schier endlose Weg zum Aussichtspunkt im vollen Galopp endete erst nach 730 Metern. Vor der zweiten Bank auf dem bereits passierten Weg ändert der Zehnender plötzlich seine Richtung und rennt in Richtung Süden auf einem kleinen Pfad der rettenden Absprungstelle entgegen. Auch das Geländer konnte ihn nicht stoppen.
Aus vollem Karacho heraus setze der Hirsch zu einem eleganten Weitsprung an, kam unversehrt ans andere Ufer der Wilden Weißeritz und verschwand dort im Wald gen Tharandt zu. Der Ritter, als er den Felsvorsprung sah, versuchte zwar sein Pferd vorm Abgrund zu bremsen, aber das mürbe Gestein bröckelte unter den Hufen, sodass Ross und Reiter in die Tiefe stürzten und nur noch Tot aus der Weißeritz gefischt werden konnten.
Kurz bevor Reiter und Ross abstürzten, verlor das edle Tier jedoch noch einen wichtigen Hinweis zum Aufspüren des geheimen Jagdbuches der Rittersleut.