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Warum heißt dieser Wald Schmattlochwald? Traditional Cache

Hidden : 3/21/2021
Difficulty:
1.5 out of 5
Terrain:
1.5 out of 5

Size: Size:   regular (regular)

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Geocache Description:


Warum heißt der Schmattlochwald eigentlich Schmattlochwald?

Ihr besucht hier einen Cache, den ich für meinen Papa ausgelegt habe. Mein Vater Robert wurde am 20.04.1934 geboren und zwar in… Duisburg Hüttenheim (Junge, das habe ich bei der Recherche gerade eben erst der Geburtsurkunde entnommen. Ich lief nun jahrzehntelang durch die Weltgeschichte und jedesmal, wenn wir an Schwerte vorbeifahren, erkläre ich als Running Gag, dass mein Vater da geboren sei. Das muss ich erstmal verarbeiten…) und starb am 27.12.1995 in Düsseldorf Kaiserswerth im Krankenhaus. Seine Mutter Margarete („Oma Laterne“ wohnte in Duisburg Huckingen und eine Laterne stand vor Ihrem Haus) habe ich noch kennengelernt, aber kann mich kaum an sie erinnern, seinen Vater – der hieß auch Robert und war laut Schulzeugnis Bauingenieur - nicht. Über seine Eltern hat mein Papa nicht viel gesprochen (um das mal zurückhaltend auszudrücken).

Papa hat per Testament den Ablauf nach seinem Tod minutiös festgelegt und meinem Bruder Michael und mir zur Auflage gemacht: er wurde eingeäschert und anonym in Ratingen Ost auf dem Waldfriedhof beigesetzt, alles sollte mit geringstmöglichem Aufwand durchgeführt werden. Bei einer kurzen Verabschiedung (Dauer: 1 Mal das Lied Ave Maria) in der Friedhofskapelle waren mein Bruder, ich selbst und ein langjähriger Arbeitskollege zugelassen – das war´s. Die Grabstelle selbst kennen wir nicht.

Es gibt ein paar besondere Gegenstände, die ich heute noch habe:

  • Die Brieftasche, darin sind Visitenkarten aus seiner Zeit bei Balcke-Dürr (ich habe die Visitenkarten meiner Laufbahn darin ergänzt)
  • Seine Brille (man erkennt darin deutlich die 1990er Brillenmode)
  • Eine Bronze-Skulptur „Der Wanderer“
  • Einen in Leder eingebundenen Terminplaner von 1990. Der ist bis auf Eintragungen von Aktienkursen an ein paar Tagen eigentlich leer bis auf den 06.01.1990. Hier steht dann folgender denkwürdiger Eintrag in gestochen scharfer Handschrift:  Ein Elefant steigt einem Frosch auf dem Kopf, dem es die Augen heraustreibt. Da sagt der Elefant zum Frosch „Gell, da schaust“.
  • Die Abschiedsbriefe seiner Kolleginnen und Kollegen. Sein Chef schrieb ihm (Auszüge): „Dabei schätze ich Ihre offene und direkte Art, die Manche vielleicht unbequem finden, die aber den Umgang miteinander klar und ehrlich macht. … Ich glaube, wir beide haben eine sehr burschikose, manchmal zum Sarkasmus neigende Ausdrucksweise, mit der nicht jeder auf Anhieb umgehen kann.“ (Es geschieht nicht selten, dass ich Ähnliches höre…)

Papa wuchs mit seinem 2-eiigen Zwillingsbruder, dem dicken Otto (und wenn ich dick sage, dann meine ich rrrrrichtig dick. Live und in Farbe habe ich nie wieder einen so dicken Menschen gesehen), in Kriegszeiten auf.  Ab 1940 besuchte er die Volksschule, die er 1948 nach dem 8. Schuljahr verließ. Das Zeugnisbuch der Schule trägt auf dem Deckel ein Hakenkreuz, das wurde irgendwann übermalt… tja, so war das damals.

Nach der Volksschule machte er an der Berufsschule der Stadt Duisburg von 1948 bis 1951 eine Lehre zum Dreher (Zeugnisnote 2) und erhielt für seine guten Leistungen ein Stipendium für die Abendschule.

Ab April 1951 arbeitete er in der Werkstatt bei Mannesmann als Dreher. Hiervon erzählte er mal die Story, dass er mit den Lehrlingen in der Werkstatt Pause machte. Er hatte einen Kaktus auf seiner Werkbank, den er eines Tages in Scheiben schnitt und wie Frisbees durch die Werkstatt schleuderte; eine super Idee, hätte meine sein können. Nachdem er erfolgreich jemandes Nacken traf, warf dieser die Scheibe zurück und erwischte meinen Papa damit auch tatsächlich, und die Stachel bohrten sich in ein Auge. Ein längerer Krankenhausaufenthalt folgte, bei dem er mit anderen augengeschädigten Patienten Skat spielte, wobei er (und die beiden anderen auch) eine Brille mit winzigen nach vorn gerichteten Gucklöchern tragen musste, damit die Augen sich bei der Heilung so wenig wie möglich bewegen. Die Löcher waren offenbar so klein, dass man kaum etwas erkennen konnte; jeder musste jede geworfene Karte aufheben und zentimeterweise vor das Guckloch halten, was das Spiel sehr aufwendig gestaltete.

Von März 1952 bis Februar 1955 lernte er parallel Maschinenbau an der technischen Abendschule in Duisburg. Nach Abschluss der Abendschule wechselte er von der Werkbank ans Zeichenbrett, denn im September 1955 wechselte er zur DEMAG und arbeitet dort als Konstrukteur in der Abteilung Kranbau. In seinem Arbeitszeugnis von Mannesmann steht unter anderem „er war seinen Mitarbeitern ein guter Arbeitskamerad“. Parallel machte er an der staatlichen Ingenieurschule einen Stahlbaulehrgang bis September 1956. Er verließ die DEMAG im Dezember und wechselte zur Deutschen Babcock Wilcox, wo er sich „vom Konstrukteur zum Projekteur emporgearbeitet hat“, wie er in einem Antrag angibt, in dem er bei der Landesregierung Düsseldorf nach Abschluss seines weiteren Abendstudiums mit Fachrichtung „Wärme und Kraft“ 1967 beantragt, den Titel Ingenieur tragen zu dürfen, was auch positiv beantwortet wurde. Aus allen Schul- und Arbeitszeugnissen ist zusammenfassend zu sagen, dass man ihm jederzeit eine offenbar nahezu perfekte Arbeitsbereitschaft und sehr gute Leistungen bescheinigte.

1970 wechselte er dann zur Balcke-Dürr in Ratingen und lernte dort meine Mutter kennen. In Ratingen Ost bauten Sie ein Haus, von dem aus man auf den blauen, leuchtenden Schriftzug „Balcke-Dürr“ blicken konnte (was mich nachhaltig prägte, Balcke-Dürr wurde auch mein erster Arbeitgeber), 1975 wurde mein älterer Bruder geboren und 1977 kam auch ich.

Die Karriere schritt voran und irgendwann wurde meinem Papa die Leitung der Montageabteilung für den Kesselbau (der Verbrennungsraum in Kraftwerken heißt Kessel) übertragen. Die Zeiten im Kraftwerksbau waren damals gut und die Abteilung gedieh unter seiner Leitung prächtig. Nach Prokura wurde ihm ehrenhalber der Titel „Direktor“ verliehen, der dann auf seiner Visitenkarte stand.

Meine Eltern trennten sich, fortan waren wir aber jedes Wochenende bei Papa. Und wenn ich jedes sage, dann meine ich jedes. Es gab einfach kein Wochenende, an dem er keine Zeit hatte, sich etwas anderes vorgenommen hätte, Arbeit hin, Arbeit her – und er arbeitete echt viel - wir waren immer da, es sei denn, wir selbst konnten oder wollten nicht. Papa rief uns vor dem Abholen immer mit einem grünen Wählscheibentelefon an und das hatte die Nummer 82772.

Wir fuhren auch in den Urlaub, zum Beispiel zig mal nach Bömighausen, das liegt im Sauerland (258 Einwohner, und dort wohnten wir verdammt oft in der Hütte „Menzel“ und waren minimum 10 mal im Fort Fun), in die Eifel, in die Schweiz, in die Masuren. Immer mit dem Auto, immer in einsame Gegenden mit viel Wald. Erst mit einem weißen Mercedes, später mit einem silbernen Audi100CC – die Marken-Umgewöhnung viel ihm echt schwer – zuletzt mit einem Audi200 (da hatten wir selbst schon den Führerschein und die Karre war für einen Fahranfänger mal echt geil). Oh, und wir machten auch einmal Kurz-Urlaub in Amsterdam und wir Jungs wollten unbedingt in einen Coffeeshop. Sehr zum Erstaunen meines Vaters haben wir dort gar keinen Kaffee bestellt, aber der Abend wurde dann ziemlich interessant.

Überhaupt sind wir viel und gerne Auto gefahren. Einmal habe ich aus Versehen mein Taschenmesser in die Lüftung des Mercedes fallen lassen, einmal hat Papa die Brieftasche auf dem Dach liegen lassen und am Ende der Heimfahrt lag sie noch treu auf dem Dach. Wir fuhren mal im Kofferraum mit und winkten den nach uns kommenden Autos zu oder wir standen im Auto und hielten den Kopf aus dem Schiebedach bei 100 km/h auf der Landstraße und haben uns die Backen aufblasen lassen – jau, wir haben viel Unsinn gemacht.

Samstags gab es Nudeln Miracoli, sonntags Putenschnitzel mit Kartoffelpüree und Erbsen. Immer. Außer Samstag oder Sonntag fiel auf den 2. Weihnachtstag, da waren wir immer beim dicken Otto und da gab es Rouladen mit Rotkohl und Kartoffelknödel. Immer. Bis Otto einmal absagte; hier stellte sich später heraus, dass der für die Absage genannte Grund nicht korrekt war. Wir waren dann nicht mehr am 2. Weihnachtstag dort. Genaugenommen nie mehr. Papa war da recht konsequent, die Aussöhnung mit seinem Bruder Otto fand erst viele Jahre später auf dem Totenbett statt.

Samstagabends haben wir immer gemeinsam ferngesehen, und es hat laaaange gedauert, bis Papa sich Kabelfernsehen legen lassen hat. Heißt: ARD, ZDF, WDR (damals oft nur mit Testbild) und später verrauschtes RTL über Antenne. Die glorreichen Sieben, High Noon, alle John Wayne Western, und so was.  Aber auch kindgerechte Kost, die nach dem Wort zum Sonntag auf ARD lief: Der weiße Hai, Frankenstein, Tarantula und dergleichen mehr; mein Bruder und ich saßen dann hinter der Couch und lugten über die Lehne und der nächtliche Gang in den Keller (und da gab es knurrende Spinnen vom Format eines Traktors), in die Garage (hier auch) oder alleine im Bett zu schlafen wurden echte Herausforderungen. Am Ende des Tages hat Papa noch den Spiegel gelesen, hat dann irgendwann seine goldene Omega Seamaster mit Lederarmband und Handaufzug abgeschnallt und auf den Beistelltisch gelegt, um am nächsten Morgen nie später als 8:00 Uhr aufzustehen und Frühstück zu machen.

Aber nur, wenn wir da waren. Sonst hat er Blutwurst mit Senf gegessen und gerne das Wasser aus dem Sauerkirschenglas getrunken. Sonntag gegen 14 Uhr Mittagsschlaf. Auf der englischen Leder-Couch, das Gesicht zur Lehne, einen Arm oben über die Lehne. Immer. Wir haben dann ferngesehen: „Schlupp vom grünen Stern“, „Die Fraggles“ und „Dr. Snuggles“. Später „Simon & Simon“, „Knight Rider“ oder „A-Team“.

Als ich etwa 4 war, habe ich irgendwann bemerkt, dass er seine dritten Zähne herausnehmen konnte. Das fand ich eine bewundernswerte Fähigkeit, denn ich war immer zu faul zum Zähneputzen gewesen und hätte sie gern einfach in die Spülmaschine legen wollen. Meine Nachfrage, wie das geht beantwortete er mit „Die habe ich mit der Brechstange rausgebrochen“.  Ich stand dann tatsächlich einige Minuten mit der rostigen Brechstange im Mund in der Garage und überlegte, in welchem Winkel ich die ansetzen muss, um möglichst alle Zähne auf einmal herauszuhebeln, da mir klar war, dass die Motivation für einen 2. Versuch vielleicht nicht so hoch sein könnte. Mir kam die Aktion dann doch zu gewagt vor, was vermutlich den Tag gerettet hat.

Einmal, da war ich 16 oder 17, kam Papa in mein Zimmer, als ich gerade mit einem Freund dort war. Er setzte sich in den Sessel und nach einigen Minuten des Schweigens verkündete er: „Wenn es stimmt, das Tote irgendwann komplett zu Staub zerfallen, liegen dort auf dem Regal möglicherweise 4 Menschen.“ Dann ging er und ließ uns mit diesem erhellenden Gedankengang wieder allein. Wenn man ewig über irgendwas spekulierte und sich über negative Ausgänge Gedanken machte, sagte er „Nur ein Tor ärgert sich zuvor!“, krempelte die Ärmel des Jeanshemdes hoch und packte die Sache einfach an. Wenn man eine Aktion unbeholfen durchführte, sodass es irgendwie laut dabei wurde, rief er „Hol doch die Axt!“. Sagte jemand „Ich gebe mir Mühe.“ folgte sein Kommentar „Na wenn das mal reicht.“.

Und wir mähten Rasen. Man, was haben wir Rasen gemäht. Mit einem Rasenmäher, bei dem man das Stromkabel hinter sich her ziehen musste, trotz riesiger Rasenfläche. Wie die Irren mähten und mähten und mähten wir. In einem Jahr mähten wir mal ein paar Wochen nicht. Da war die Wiese so hoch, da kam man gar nicht mehr durch. Den Versuch mit der Sense haben wir dann abgebrochen und die Wiese wurde schlicht abgefackelt (inkl. Feuerwehreinsatz), wobei Papa da sicherlich eine Ernte 23 bei geraucht hat. Im Herbst mussten wir zusätzlich noch Laub harken, denn es standen riiiiiesige Birken im Garten, die kubikmeterweise Laub abwarfen.

Neben dem ganzen Gemähe und Geharke sind wir immer spazieren gegangen. Jedes Wochenende. Und so kam es, dass wir irgendwann hier gelandet sind, hier in diesem Wald.

Der Weg, den Ihr heute zurücklegt, den sind wir viele Male gegangen. Damals war die Vegetation zu Beginn des Weges noch nicht so dicht, aber tatsächlich hat sich eigentlich seit 1995 hier nicht viel getan. Ich glaube, dieser Wald war sein Lieblingswald und er sagte immer „Lass uns zum Schmattlochwald fahren!“ Wir waren auch immer gern da. Manchmal sind wir im Sommer durch den Dickelsbach gelaufen, mal mit, mal ohne Gummistiefel, teilweise komplett nass.

Das habe ich erst vor Kurzem auch wieder entdeckt, als ich über ein Ausflugsziel sinnierte und ich dachte „Lass uns zum Schmattlochwald fahren!“ Gesagt, getan und mein Sohn war begeistert von dem Abenteuer, über schmale klapprige Brücken zu gehen, über den Dickelsbach zu springen oder einfach durchzulaufen, über Trampelpfade oder querfeldein durch den Wald zu rennen.

Ich bin nicht gläubig, also in meiner Vorstellung zerfallen Tote zu Staub – und das war´s.

Aber wenn ich mich irre (und das kommt hin und wieder vor), dann sitzt Papa nun doch auf einer Wolke, raucht Ernte 23, guckt vielleicht mal runter und schaut, was wir so machen. Und wenn es so sein sollte, dann glaube ich, es könnte ihm gut gefallen, dass es nun diesen Cache hier gibt, der in seinem Lieblingswald versteckt liegt und nun einigen Kindern und Eltern diesen schönen Weg zeigt. Und nach mehr als 25 Jahren habe ich endlich einen Ort, den ich zum Denken an Papa aufsuchen kann.

Tja, aber warum heißt der Schmattlochwald nun Schmattlochwald? Bis vor Kurzem hatte ich keine Ahnung. Der hieß einfach so, warum soll man das hinterfragen? Ich hatte das irgendwann mal gegoogelt, aber fand hier nichts Eindeutiges. Eine Grabstelle auf dem Eggerscheidter Friedhof gab es wohl, die trug bis 2018 diesen Namen. Eggerscheidt ist nicht weit weg. Hm. Ein Hinweis? Letztlich habe ich das nicht weiter verfolgt und deshalb aber nicht schlecht geschlafen, mein Leben verlief ja auch ohne diese Auflösung recht normal und es gab keinen, der die Antwort einforderte.

Weihnachten 2020 wurde ich unruhig, ohne recht zu wissen warum. Bis sich die Idee, einen Cache im Schmattlochwald auszulegen durch mein Unterbewusstsein ans trübe Tageslicht Bahn brach. In einem nahezu verzweifelten Aufruf in unserer Familien-Whattsapp-Gruppe dann die Antwort: Der Gärtner, der den Garten am Haus in Ratingen anlegte, hieß Schmattloch. Na sowas, nach einem Vierteljahrhundert auch dieses Mysterium gelöst. Aber das war ja eigentlich klar, es ist doch immer der Gärtner…

Ich hoffe, Ihr habt Spaß  bei der Erkundung des Schmattlochwaldes!


(Mein Papa, Bild vermutlich aus den 1960er / 1970 Jahren)

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