Der Silberpfeil.
Silberpfeil war die volkstümliche Bezeichnung für die deutschen Grand-Prix-Rennwagen in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg, die in den 1950er-Jahren wieder gebräuchlich wurde. Sie entstand, nachdem die Fahrzeuge von Mercedes-Benz beim Eifelrennen 1934 wie schon 1932 von Brauchitschs Wagen auf der Avus nicht in der üblichen deutschen Rennfarbe Weiß,[1] sondern im blanken, silbern schimmernden Aluminium gestartet waren. Auch die Auto Union fuhr in „Silber“, sodass ihre Rennwagen ebenfalls Silberpfeile, gelegentlich zur Unterscheidung aber auch „Silberfische“ genannt wurden.[2]
Durch die Erfolge insbesondere der Vorkriegsfahrzeuge im internationalen Automobil-Rennsport , die nicht zuletzt auf der für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich professionellen Vorbereitung und Mechanikerarbeit beruhten, wurde der Begriff „Silberpfeil“ zum Mythos und weckte die Träume vieler Motorsport Begeisterten. Für immer verbunden mit dieser erfolgreichen Ära sind die Rennfahrer Rudolf Caracciola, Hans Stuck, Bernd Rosemeyer, Tazio Nuvolari, Hermann Lang usw. sowie später Stirling Moss und Juan Manuel Fangio. Lang fuhr sowohl vor als auch noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg für Mercedes-Benz den Großen Preis von Deutschland.
Später wurden die ab 1997 teilweise silberfarben lackierten Rennwagen von McLaren-Mercedes mitunter als Silberpfeile bezeichnet, ebenso wie die GT-Rennwagen Mercedes-Benz CLK-GTR und Mercedes-Benz CLR der späten 1990er Jahre. 2010 starteten mit Michael Schumacher und Nico Rosberg erstmals wieder Werks-Silberpfeile von Mercedes in der Formel 1.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in internationalen Motorsport-Wettbewerben zur Kennzeichnung der nationalen Herkunft eines Teilnehmers für dessen Wagen entsprechende Kennfarben eingeführt, wobei meist an bereits bestehende Traditionen angeknüpft wurde. Dabei wurde Weiß die Farbe der Deutschen bzw. deren Rennwagen, ähnlich wie auch deutsche Sportmannschaften meist diese Farbe trugen.
Bei nationalen Rennen war keine internationale Rennfarbe gefordert, bei internationalen wurden Ausnahmen gemacht. Beim AVUS-Rennen 1932 fuhr Manfred von Brauchitsch einen Mercedes-Benz SSKL mit unlackierten Verkleidungsblechen aus Aluminium. Er gewann das Rennen überraschend, wobei der Radiosprecher Paul Laven von einem „silbernen Pfeil“ sprach.[3]
Auto Union Typ C bei Eröffnung der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings 1984
Erstmals am 27. Mai 1934 auf der AVUS in Berlin tauchten die Fahrzeuge von Mercedes-Benz in Silber auf. Vorher in anderen Motorsportsegmenten tätig, gingen dort auch die von der Auto Union entwickelten Rennwagen vom Typ A in Silber an den Start. Historisch ungeklärt ist, warum sie von Beginn an silberfarbig waren. An diesem Tag blieben die Mercedes-Startplätze jedoch leer, da schon im Training Probleme mit der Benzinzufuhr aufgetreten waren, die sich in der kurzen Zeit nicht mildern ließen. Auto Union hatte ebenfalls Probleme und wurde hinter zwei Alfa Romeo der Scuderia Ferrari Dritter. Das darauf folgende Eifelrennen war international ausgeschrieben, Mercedes-Fahrer Manfred von Brauchitsch gewann. In der Presse war bald von „Silberpfeilen“ die Rede.
Wie auch in einem bei Mercedes-Benz Classic vorhandenen Schwarzweiß-Dokumentarfilm berichtet[4] wurde, beruht die Entstehung der Mercedes-Silberpfeile auf einer Verlegenheitslösung: Bereits im Oktober 1932 hatte die internationale Sportbehörde das zulässige Gesamtgewicht der Formel-Rennwagen für die Jahre 1934 bis 1936 auf maximal 750 kg (ohne Fahrer, Kraftstoff, Öl, Wasser und Reifen) festgelegt, um leichtere und leistungsschwächere Fahrzeuge als die bisherigen zu erzwingen. Nach dieser Vorgabe entwickelte Mercedes-Benz den W 25, der jedoch bei der technischen Abnahme zum Eifelrennen auf dem Nürburgring am 3. Juni 1934 nicht 750, sondern 751 kg wog. Rennleiter Alfred Neubauers Ausspruch „Nun sind wir die Gelackmeierten!“ soll Fahrer Manfred von Brauchitsch auf die Idee gebracht haben, den weißen Lack abzuschleifen, um das Gewicht auf das zulässige Limit zu verringern. Über Nacht schneiden demnach die Mechaniker den Lack von dem Wagen. Dabei sei das typisch silbern glänzende Aluminiumblech zum Vorschein gekommen, das dem W 25 und seinen Nachfolgern den Namen „Silberpfeil“ eingebracht habe. In anderen Quellen ist zu lesen, dass nach dem Abschleifen ein hauchdünner Film Silberfarbe aufgetragen worden sei.[5]
Manfred von Brauchitsch bestätigte die Geschichte in einem Interview wenige Jahre vor seinem Tod. Laut SWR-Autor Eberhard Reuß sollen jedoch zeitgenössische Schwarz-Weiß-Fotos des Fotografen Heinz von Perckhammer zeigen, dass die Wagen von Anfang an silberfarben waren. Eine andere Quelle belegt das Gegenteil: Jahre nach dem Tod des Pressefotographen Zoltán Glass fanden Historiker von Mercedes-Benz in dessen Nachlass Bilder bzw. Negative, worauf zu sehen ist, dass die Fahrzeuge im Training weiß waren und zum Rennen in Silber angetreten sind.
Weiter gefasst versteht man unter dem Namen Silberpfeil auch die Hochgeschwindigkeitswagen aus der Zeit der NS-Herrschaft. Zu erwähnen sind hier der Mercedes-Benz T 80 und der Stromlinienrekordwagen von Mercedes-Benz, der vom Konstruktionsbüro Porsche entwickelt wurde, das in der gleichen Zeit die Autos des Konkurrenten Auto Union entwarf, und der Auto-Union-Rekordwagen, mit dem Bernd Rosemeyer als erster die 400 km/h überschritt.
1937 überraschte die Auto Union die Welt mit diesem für Rekordversuche gebauten Stromlinien-Rennwagen Typ R. Bernd Rosemeyer stellte am 25. Oktober 1937 den absoluten Automobil-Weltrekord von 406,32 km/h über 1 km auf und erzielte am 26. Oktober 404,6 km/h über 5 km, jeweils mit fliegendem Start. Dieser Weltrekordwagen wurde aus dem Mittelmotor-Grand-Prix-Rennwagen Typ C des Jahres 1936 entwickelt. Der Typ R hatte einen kompressoraufgeladenen 16-Zylinder-V-Motor mit 6 Liter Hubraum und 382 kW (519 PS) bei 5000/min. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Original aus Deutschland verschleppt, eine originalgetreue Nachbildung ist jedoch im Audi museum mobile in Ingolstadt zu besichtigen.