Hertha Kraus - Gründerin der "Riehler Heimstätten"
Im Jahre 1923 berief der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer die gerade 25-Jährige Hertha Kraus als „Stadtdirektorin“ in die Rheinmetropole, wo sie fortan das Wohlfahrtsamt leitete. Adenauer schätzte die Sozialdemokratin und scherte sich wenig um den Protest einer Kölner Zeitung gegen die Berufung einer so jungen, ausländischen und zudem nicht katholischen Person. Neben ihrem Hauptberuf betätigte sich Hertha Kraus auf Bezirksebene in verschiedenen sozialen Einrichtungen und Verbänden. Sie unterstützte ein Quäkerhilfswerk für erwerbslose junge Mädchen, arbeitete im „Stadtverband Kölner Frauenvereine“ mit, dessen Vorstand sie einige Jahre angehörte, war unter anderem Mitglied des Hauptausschusses des „Deutschen Vereins für öffentliche und private Wohlfahrtspflege“ sowie der 1919 von Marie Juchacz gegründeten „Arbeiterwohlfahrt“. Ferner engagierte sie sich für die 1914 gegründete „Schule für kommunale Wohlfahrtspflegerinnen“ der Stadt Köln. In ihrer Funktion als Leiterin des Wohlfahrtsamtes startete sie bereits 1925 im Rahmen der Familienfürsorge eine Kampagne für zweckmäßige und gesunde Ernährung für Klein- und Schulkinder. Besonders hervorzuheben ist die von ihr 1927 veranlasste Umwandlung der leerstehenden Riehler Wehrmachtskasernen in ein modernes Altersheim. Nach dessen Fertigstellung 1934 waren die „Riehler Heimstätten“ die größte derartige Einrichtung im Deutschen Reich, die von auch vielen Ausländern besichtigt und bewundert wurde.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, schrieb Hertha Kraus im März 1933 an Freunde und Bekannte in den USA: „Alles ist aus den Fugen geraten- Gesetze, Verträge, Ausverkauf der Regierung. So auch meine Arbeit – wahrscheinlich. Bin mit Hunderten, die der Republik mit Herz und Kopf gedient hatten, ‚beurlaubt‘ worden. Wir alle sind beurlaubt, die ganze Gruppe in Köln […] und viele viele andere. Die meisten von ihnen sind keine Sozialisten, aber sehr viele Frauen. Dies ist die Zeit für ‚ausgewachsene‘ Männer. Keine ‚weiblichen Torheiten‘.“[1]
Aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 wurde Hertha Kraus als Nichtarierin und politisch Unzuverlässige aus dem Dienst der Stadt Köln entlassen. Im Sommer 1933 emigrierte sie in die USA, die sie von längeren Studienreisen bereits kannte. So hatte sie 1932 an der University of Chicago Vorlesungen zur Praxis der deutschen Wohlfahrtspflege gehalten. Sechs Jahre nach ihrer Ankunft wurde sie 1939 amerikanische Staatsbürgerin.
[Quelle: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/hertha-kraus/DE-2086/lido/5d5520b5c73234.85763276]