Seemannsgarn

Moin du Landratte,
ich bin Kalle die Möwe von der Rickmer Rickmers.
Wenn du öfter mal am Hafen rumstöberst, hast du mich bestimmt schon ma gesehn – oben auf’m Mast, schön im Wind, den Blick Richtung Horizont. Ich hab mehr von der Welt gesehn als’n Containerschiff un kenn mehr Geschichten als’n alter Seebär bei ’nem Grog.
Und heute erzähl ich dir mal eine von den echten Dinger. Kein Tüdelkram, sondern Seemannsgarn mit Möwen-Qualität!
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Also pass mal auf:
Dat war damals, als der Winter so kalt war, dass selbst die Elbe ’n Schal gebraucht hätt. Ich war unterwegs mit dem alten Dampfer „Sturmvogel“, Richtung Helgoland – Rum liefern. Mit an Bord: Käpt’n Jannsen, der mit seinem Bart den Wind messen konnt, und Smutje Hein, der selbst beim Kochen seine Pfeife nicht aus’m Maul nahm.
Mitten auf See – zack – Maschine aus. Nur noch Wellen, Wind und mein Krächzen. Und plötzlich seh ich dat: ’n grünes Leuchten übers Wasser, Schaum, der rückwärts läuft – voll der Spuk!
Aus dem Wasser steigt ’n altes Segelschiff, richtig schön verwittert, mit Nebel in den Segeln. Die Flying Trude. Vor hundert Jahren verschollen, weil ihr letzter Matrose sich mit ’ner Meerjungfrau angelegt hat. Kein Witz.
Ich krächz also los: „Alle Mann auf Deck!“ – Smutje Hein glotzt nur und sagt: „Wenn das nix mit Rum zu tun hat, dann fress ich meinen Kochlöffel.“
Und dann – peng – einfach weg. Keine Spur mehr. Aber ich sach dir: dat Schiff gibt’s wirklich. Und das Leuchten taucht manchmal nachts wieder auf… direkt über’m Hafenbecken.
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Na, wie sieht’s aus? Haste Bock auf mehr?
Ich hab noch’n ganzen Schnabel voll Geschichten:
Von ‘ner fliegenden Seeschnecke in der Karibik, die in Reimen spricht…
Von ’ner Insel, wo die Kompasse durchdrehen…
Oder von meinem Duell mit ’nem Papagei in Panama – der konnt fluchen wie’n Kiezkellner!
Also halt die Augen offen – Kalle hat noch ordentlich Seemannsgarn auf Lager. Vielleicht schnack ich demnächst wieder wat aus’m Schnabel. Du hörst von mir.
Bis dahin:
Lass dich nich von’m Wind umpusten un trag dich in’t Logbuch ein – denn jede gute Geschichte fängt mit’m „Moin“ an.
Ahoi un bleib locker,
Dein Kalle
(Möwe, Hafenschnacker und Weltreisender)