Ab 1872 wurde das Gebiet südöstlich des alten Plauener Dorfkerns bautechnisch erschlossen. Es entstand ein neues Villenviertel für gut betuchte Bürger, heute als "Oberplauen" bekannt. Neben neuen Häusern wurde auch ein großes Straßennetz geplant.
1880 ließ Baumeister Hermann Blauert, der auch am Plauener Baugeschehen beteiligt war, einen Aussichtspunkt mit einer steinernen Bank und vier Linden für seinen Freund Max Liepsch, dem Besitzer der Zeitung Dresdner Nachrichten, anlegen. Damals konnte man von hier noch weit über das Elbtal blicken.
In den 1920er Jahren nahm die Bautätigkeit nach Unterbrechung durch dem ersten Weltkrieg wieder an Fahrt auf. Allerdings wurden die weitreichenden Pläne mit mehreren Ringstraßen nicht mehr verwirklicht. Stattdessen entstanden kleinere Ein- und Mehrfamilienhäuser südlich des Westendrings, das heutige Hohenplauen.
Bildnachweis: Deutsche Fotothek / Hiehle, Franz / um 1930 - df_hauptkatalog_0189437
1927 wurde die Straßenbahntrasse nach Coschütz gebaut. Neun Jahre später, im Jahr 1936, wurde der Aussichtspunkt "Liepsch Ruhe" als steinerne Bastion neu gestaltet. Im unteren Teil wurde eine Wartehalle integriert.
Die davor liegende spitze Kurve erlangte durch zwei schwere Straßenbahnunfälle traurige Berühmtheit:
Im Oktober 1927 entgleiste eine Straßenbahn auf der erst zwei Wochen zuvor in Betrieb genommenen Strecke, 18 Personen wurden teilweise schwer verletzt. Als Unfallursache wurde übrigens "Hetze bei der Arbeit" ermittelt - die vorgegebenen Fahrtzeiten waren zu knapp bemessen.
Am 9. Dezember 1959 geschah an gleicher Stelle ein weitaus gravierender Unfall: Die Linie 11 mit drei voll besetzten Hechtwagen entgleiste, elf Menschen kamen dabei ums Leben, 74 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Ursache war die winterliche Witterung in Kombination mit menschlichem Versagen.
1999 wurde die Straßenbahnstrecke komplett umgestaltet: die scharfe Kurve und die Gleise auf dem Plauenschen Ring fielen weg, stattdessen nimmt die Bahn der Linie 3 jetzt einen weiten Bogen vom Endpunkt Plauen kommend zum Westendring. Seit 2023 fährt auch der neue Triebwagen NGT DXDD auf der Strecke.
Hermann Blauert starb vor 100 Jahren, doch seine Bank steht noch heute. Einen schönen Ausblick hat man auf Grund der Bebauung und des hochgewachsenen Baumbestands zwar nicht mehr - aber dafür ab sofort eine kleine Dose, die man ganz bequem sitzend loggen kann.
LesHommesSauvages wünschen viel Spaß!
Und was wurde aus Max Liepsch? Er verstarb bereits 1890, hatte aber 1886 ein Zwerg-Cochin-Pärchen aus England importiert und damit diese Hühnerrasse nach Deutschland gebracht...